Der nächste Morgen verlief ruhig. Leider angespannt-ruhig und nicht
harmonisch-ruhig. Unsere Stimmen klangen freundlich, die Worte wurden
sorgfältig gewählt, die dazugehörenden Lächeln erschienen gezwungen und
berühren taten wir uns nicht mehr, nachdem wir aufgestanden waren. Irgendwie
scheiße, aber ändern konnte ich es nicht – also doch, wahrscheinlich
hätte ich etwas ändern können, aber was und wie, das wusste ich nicht. Die
Distanz ging nicht nur – vielleicht sogar nicht hauptsächlich – von
mir aus und sie … blockierte mich. Zusätzlich. Sie blockierte mich zusätzlich.
Ich hatte ja sowieso schon Probleme damit, auf ihn zuzugehen, weil er
eben … männlich war. Und meine Welt durcheinanderbrachte und ich
immer noch nicht sicher war, ob ich meine Welt durcheinandergebracht bekommen
wollte. Ein Teil von mir hing an meiner alten Welt, der andere wollte die neue
Welt genießen, die Rubin mir eröffnete. Es brauchte schon Überwindung,
aufzutauen, wenn er dafür empfänglich war, aber so … mal ehrlich: Auf
Leute zuzugehen, die auf Distanz gingen, das war nicht meine Stärke.
Meine Stärke war, Leute dazu zu bringen, gar nicht erst auf Distanz zu gehen,
aber wenn sie es einmal taten … dann tat ich mich schwer, sogar in
der Schule. Und während ich dort wenigstens noch einen Notfallplan hatte und
mich einfach zwang, weiter freundlich zu sein und mich weder vertreiben zu
lassen noch aufdringlich zu werden, wusste ich in dieser Situation hier nicht,
was angebracht war. Oder treffender formuliert: Was das beste Resultat
erzielte. Hingehen und ihn einfach umarmen oder ihm einen Kuss auf den Hals
geben, so wie er es oft genug bei mir tat, das … das konnte ich
nicht. Konnte nicht, war nicht in der Lage, meinen Körper dazu zu
bringen, und wusste dabei noch nicht einmal, ob ich es überhaupt wollte.