Update-Info

07.01.2015: Ich wünsche allen ein (verspätetes) frohes neues Jahr! :)

Bei uns hat das Jahr leider mit einer Krebsdiagnose begonnen. Nicht meine, aber dennoch werden die Kapitel in absehbarer Zeit nur sehr unregelmäßig erscheinen.

Montag, 25. März 2013

Wieder und wieder 17:


Er lallte. Wir tanzten. Ich ging.


Das Bifröst war groß, laut und möchtegern-schick, was bei dem Einrichtungsthema – nordische Mythologie, beziehungsweise Kitsch-Wikinger – echt seltsam kam. Die Spiegeldecke zum Beispiel gehörte zum ‚versucht schick‘, eine halb nackte Statue Thors mit deutlich erkennbarem Ständer unter dem Lendenschurz dagegen … nun ja. Eher nicht. Das ‚Highlight‘ war aber wohl der VIP-Bereich, der als Regenbogenbrücke einmal quer über den Hauptraum führte und dem Club den Namen gegeben hatte.
Ich gab meine Jacke und, seufzend, auch meinen Pullover an der Garderobe ab, als der Typ dahinter einen skeptisch-auffordernden Blick schenkte. Ja, ich wusste, dass ich nicht aufgebretzelt genug war, aber nachdem ich satte dreißig Euro Eintritt bezahlt hatte, sollten die gefälligst ihre Klappe halten. Dreißig Euro! Und das nach Mitternacht! Was für beschissene Clubs besucht Mischa denn?!
Den Pulli abzugeben, den mir meine Mutter heute morgen auf den Leib gedrängt hatte, war aber eine gute Idee, denn kaum öffnete ich die Tür, umschlang mich eine Hitzewelle, die meine Fluchtinstinkte innert Millisekunden auf Hochtouren brachte. Ich wollte da nicht hinein. Lieber lauerte ich ihm erneut im Boxstudio auf – scheiße, lieber nahm ich Boxstunden, als das hier! Und woher wollte ich wissen, ob Mischa nicht schon längst einen Typen ausgesucht und mit nach Hause genommen hatte?
Aber jetzt hatte ich eh schon bezahlt. Eine Runde durch den Club … die Masse an Leuten, von denen die Hälfte nicht mehr trug als der Plastik-Thor und die alle bereits seit Stunden betrunken waren … begleitet von schrecklicher Musik in tinitusverursachender Lautstärke … ja, das lag drin. Sicher lag das drin.

Montag, 18. März 2013

Wieder und wieder 16:


Opis Kreuze. Unverständliche SMS. Ein Neujahrsvorsatz.



Am einunddreißigsten Dezember schloss ich kurz vor zweiundzwanzig Uhr mit einem halb erledigten, halb erleichterten Ächzen die Haustür auf und trug meine und Anitas Taschen hinein, während sie und Klaus als erstes die Fresspakete in die Küche brachten. Weihnachten bei meiner Familie im Dorf war schön gewesen. So idyllisch, wie bei uns nur möglich, und anfangs sogar ablenkend. An Heiligabend war die ganze Verwandtschaft mütterlicherseits zu uns gekommen und wir hatten eine große und laute Bescherung gehabt. Laut vor allem dank meiner Kusinen und Vettern unter fünfzehn, von denen es sieben an der Zahl gab – und nur einer davon war halbwegs gut erzogen. Warum mussten sich ausgerechnet die Leute wie die Karnickel vermehren, die von Kindererziehung keine Ahnung hatten?
Der fünfundzwanzigste war um einiges ruhiger und entspannender gewesen, denn den hatten wir bei Omi und Opi verbracht. Die beiden lebten in einem Mehrfamilienhaus mit vier oder fünf anderen älteren Pärchen zusammen und teilten sich die Kosten für die Hilfe bei den Dingen, die sie nicht mehr eigenhändig erledigen konnten. Eine Art betreutes Wohnen auf eigene Faust.
Opi hatte mich nach dem Essen kurz beiseite genommen und mir einen Hunderter hingehalten. Da ich wusste, dass die beiden in Sachen Rente nicht gerade das große Los gezogen hatten, schüttelte ich vehement den Kopf, aber Opi stopfte ihn mir einfach in die Tasche meiner Jeans und flüsterte verschwörerisch: „Führ deine Herzdame damit richtig fein aus, die wird sich freuen. Man muss das Leben genießen, solange man noch jung ist!“

Dienstag, 12. März 2013

Wieder und wieder 15:


Mein Stammeln. Ungetrunkener Kaffee. Sein Abstand.



Zwanzig Minuten konnten verdammt lange dauern. Noch schlimmer: Sie konnte sich erst zu einer Ewigkeit ausdehnen und dann plötzlich zu wenigen Millisekunden zusammenfallen. So fühlte es sich jedenfalls an, als ich auf der harten Holzbank saß und wie in Trance dabei zusah, wie Mischa vor seinem Trainer herumtänzelte und mit beeindruckender Geschwindigkeit und Präzision Schlagkombinationen und Schrittverbindungen übte, während Mike sich wie ein Gegner bewegte, bloß, ohne selber anzugreifen. Dafür konnte ich die geknurrten Befehle hören, die nach mehr Geschwindigkeit, mehr Automatisierung, mehr Power verlangten. Ich an seiner Stelle hätte Angst gehabt, dass Mischa einmal, nur ein einziges Mal daneben schlug und statt der schwarzroten Pratze mein Gesicht traf.
Nein, Boxen war eindeutig nichts für mich. Ich hätte zu viel Angst, nicht nur mir, sondern auch dem anderen wehzutun. Soviel Körperbeherrschtheit und Rhythmusgefühl würde ich nie und nimmer aufbauen können. Zuschauen aber hatte etwas Faszinierendes. Es war wie ein Tanz, nein, es war ein Tanz. Und niemand kam dabei zu Schaden, zumindest nicht heute, außerhalb des Ringes.
Und dann war es zu Ende. Sie stoppten wie auf Kommando und während Mischa erst in ein lockerndes Auf-der-Stelle-Joggen überging, redete Mike leise auf ihn ein, zeigte ihm verlangsamt ein paar Schläge und Abfolgen und deutete ihn wohl generell auf die zu verbessernden Dinge hin. Mischa nickte, blieb irgendwann stehen, ging zu dynamischem Dehnen über, sagte selber etwas. Als Mike ihm schließlich auf die Schulter klopfte und sich verabschiedete, schloss er mit ein paar statischen Dehnübungen ab. Und sah dabei immer noch verboten gut aus.

Montag, 4. März 2013

Wieder und wieder 14


Meine Unschlüssigkeit. Seine Funkstille. Mikes Studio.


Drei Tage waren vergangen und mein Handy stumm geblieben. Ich war erleichtert – natürlich war ich das. Was sonst? Eben. Hätte er reagiert, wäre es nur peinlich geworden, für mich. Wegen vergessenen Wörtern und falsch platzierten Wörtern und falsch geschrieben Wörtern und … und wegen den Wörtern an sich. Genau.
Außerdem: Wahrscheinlich wusste er ja noch nicht mal, woher die SMS kam – klar, in seinem Leben gab es da sicher (hoffentlich!) nicht so viele Kandidaten, die sich generell für alles der letzten Zeit entschuldigen mussten, aber er kannte ja meine Nummer nicht. Und ich hatte meinen Namen nicht geschrieben. Bei einer solchen SMS von unbekanntem Absender würde ich garantiert denken, jemand hätte sich bei der Nummer vertan. Und da derjenige offensichtlich nicht ganz bei sich gewesen war, musste es auch nicht kommentiert werden. Genau.
Wenn er doch wusste, dass ich der unglückliche Absender war, sagte die ausgebliebene Reaktion auch genug.
Wieso sollte er auch antworten? Gerade, wenn er es wusste. Schließlich machte die Mini-Nachricht nichts wieder gut, war keine Entschädigung. War noch nicht einmal persönlich überreicht worden. Noch dazu namenlos. 
Aber … er reagierte eben nicht. Auch wenn ich darüber primär erleichtert war, kam die Enttäuschung doch auf einen gefährlich nahen zweiten Platz. Eine Reaktion, irgendeine Reaktion hätte schließlich auch eine Möglichkeit bedeutet, Kontakt aufzunehmen. Oder mir zumindest einen Anhaltspunkt gegeben, wie es ihm ging – denn die Frage ging mir seit Thomas’ Besuch und seiner Un-Antwort nicht mehr aus dem Kopf.