Update-Info

07.01.2015: Ich wünsche allen ein (verspätetes) frohes neues Jahr! :)

Bei uns hat das Jahr leider mit einer Krebsdiagnose begonnen. Nicht meine, aber dennoch werden die Kapitel in absehbarer Zeit nur sehr unregelmäßig erscheinen.

Mittwoch, 29. Januar 2014

Von Edelsteinen und Papierengländern 14:

Ich mag dich nicht nicht.
Wow, der Blick war intensiv. Konnte ich wieder die Grübchen haben, bitte? Mein Nacken kribbelte und ich wusste nicht, ob das in seinen Augen Wut oder doch etwas anderes war.
Scheiße, das – das …
Ich wollte hier weg – und gleichzeitig auch … nicht.
Doch, natürlich wollte ich weg. Und ich wollte, dass er mich losließ, sofort.
„Ich habe nichts gegen dich“, sagte er nach einer kurzen Pause, „du bist mir sympathisch; ansonsten hätte ich Kirstens Angebot nie angenommen.“ Sein Blick verlor an Intensität, wurde wieder distanzierter, und sein Griff um meine Hand weniger fest. Ich entspannte mich ein bisschen.
Sympathisch, das … hm.
„Dann hast du eine verdammt charmante Art, das zu zeigen.“
„Das am Anfang war nichts gegen dich persönlich, da habe ich dich ja noch nicht gekannt. Deine Freunde dagegen mag ich nicht – und ich habe nicht vor, das zu überspielen.“
Das war’s dann wohl für Theo und seine Nachhilfe in Mathe bei Rubin. Ich konnte nicht sagen, dass ich das schade fand.
Ich erwiderte den Blick noch einen Moment, dann wandte ich mich ab und entwand meine Hand seiner.
„Du willst, dass ich die Zeit von August bis heute ‚vergesse‘? Sogar wenn ich wollte, das funktioniert nicht.“ Und meinem Nacken zuliebe nahm ich noch ein wenig mehr Abstand, indem ich zum Tisch hinüber ging und mich an die Kante lehnte.
Rubins Blick verfolgte mich. „Ganz ‚vergessen‘ sicher nicht, aber ein Neuanfang könnte trotzdem funktionieren. Natürlich nur, wenn wir es versuchen.“
„Und was soll mir das bringen?“
„Angenehmere Ferien ohne dass zu denkst, dich immer über mich aufregen zu müssen?“
„Vielleicht tue ich das ja trotzdem noch.“
„Dann haben wir Pech gehabt.“ Er lehnte sich mit der Hüfte an die Anrichte und verschränkte die Arme vor der Brust.

Mittwoch, 22. Januar 2014

Von Edelsteinen und Papierengländern 13:


Während ich auf Fee wartete, fiel mir ein, dass es vielleicht höflicher wäre, Rubin Bescheid zu geben, wann ich etwa bei ihm sein würde. Ehrlich gesagt hatte ich große Lust, es aus Trotz sein zu lassen und einfach irgendwann bei ihm aufzutauchen, aber sogar ich wusste, wie kindisch das Verhalten wäre. Und wenn ich ganz, ganz ehrlich war (etwas, das mir meist Kopfschmerzen bereitete), dann wusste ich, dass er an dem Streit mit Mum keine Schuld trug – noch nicht einmal indirekte, denn er konnte ja nicht wissen, was für ein Mensch sie war und wie sie auf die Idee mit der Nachhilfe und sein freundliches Getue reagieren würde. Bei Hera, noch nicht einmal ich hatte das vorausgesehen und ich war seit über siebzehn Jahren ihr Sohn, die Zeit in ihrem Bauch nicht mitgerechnet.
Also rechnete ich noch einmal kurz nach, wie lange das Kino dauern würde, dann die Busfahrt zu ihm, plus ein Abstecher in den nächsten Supermarkt, und schrieb ihm eine kurze Nachricht. Seine Antwort war ebenso kurz, aber irgendwie schaffte er es, sich dabei trotzdem auf die desinteressierteste Art, die mir je begegnet war, für die Benachrichtigung zu bedanken. Wenigstens konnte ich nun meine dicken Handschuhe wieder anziehen.
„Vyvyan!“ Fee kam auf mich zu und rannte die letzten paar Schritte. „Hast du lange gewartet?“
„Keine zehn Minuten“, erwiderte ich und zog sie an mich, küsste sie. Und wie immer, wenn ich sie küsste, richtig küsste, schmiegte sie sich sofort noch näher an mich und legte die Arme um meinen Hals. Und wie immer war Fee zu küssen – nun, wie immer eben. Es war angenehm, es gab mir ein warmes Gefühl im Magen, aber da war kein Feuerwerk und es war nichts, ohne dass ich nicht leben konnte. Aber was hieß das schon? Das waren doch sowieso nur Übertreibungen, die man uns in Büchern und Filmen vorsetzte, damit wir uns schön danach sehnen konnten und brav weiter neue Bücher/Filme darüber kauften, unser Leben lang, denn im richtigen Leben begegnete man so etwas eben nicht. Küssen war schön, keine Frage, aber nichts Weltbewegendes. Und daran würde ein anderer Kusspartner nichts ändern: Beim Küssen brauchte man schließlich nur Lippen und Zähne und Zunge und bei diesen Dingen unterschieden sich Männchen und Weibchen nicht, solange die Weibchen intelligent genug waren und sich nicht mit Lippenstift oder – noch schlimmer – Gloss einschmierten. Also sollte es mir, rein logisch betrachtet, bei beiden gleich viel Spaß machen.
… Natürlich würde ich die Theorie nicht auf die Probe stellen. Es wäre Fee gegenüber auch unfair, denn so wie Rubin Samstag rangegangen war, war er nie und nimmer unerfahren. Und Fee, nun … soweit ich wusste, hatte sie sich mit Beziehungen bisher zurückgehalten. Außer ihrem Exfreund hatte es da nur einen anderen gegeben, aber das war in einem Alter gewesen, in dem man Küssen noch mit Sex gleichgestellt hatte. Wenn mir bei ihren Küssen also etwas fehlte, dann gab es eine einfache und direkte Methode, dem Abhilfe zu schaffen: Mit ihr zu üben.
Vielleicht hatte ich beschlossen, bald mit ihr Schluss zu machen musste, aber noch war ich ihr Freund. Und sie hier. Es sprach also nichts gegen ein bisschen üben.
Ich intensivierte den Kuss, ließ ihn ein bisschen heftiger, ein wenig leidenschaftlicher werden, und Fee ging darauf ein, was ich als guten Anfang betrachtete. Doch, vielleicht würde das doch noch etwas werden, mit dem Küssen.
„Das habe ich vermisst“, flüsterte ich in ihr Ohr, als ich mich schließlich von ihr löste.
Sie lachte und flüsterte zurück: „Nur das?“
Ich grinste, sah sie einen Moment an und gab ihr dann einen Eskimokuss.
„Natürlich, was hast du denn gedacht? Wir sind schließlich nur zusammen, weil ich deine Lippen so unwiderstehlich finde – du hattest da auch kein Mitspracherecht, wenn ich dich erinnern darf.“
Sie boxte mich leicht in die Schulter und schürzte die Lippen. „Fieser Kerl!“
Fieser Kerl? An deinen Beleidigungen musst du echt noch arbeiten.“ Ich zwinkerte ihr zu, legte dann den Arm um sie und fragte: „Und, worauf hast du Lust?“
„Da du mich einlädst: Aufs Ritz.“

Mittwoch, 15. Januar 2014

Von Edelsteinen und Papierengländern 12:


„Hey Vyvyan!“ Theos Stimme dröhnte durch den Telefonhörer. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so früh anrufst.“
Ja, ich auch nicht. Aber wenn ich später noch zu Rubin musste, konnte ich nicht bis zum Mittag warten, um mich mit Theo und den anderen zu verabreden.
„Ich konnt’s halt nicht erwarten.“
Theo lachte. „Ja, sicher. Erzähl das deiner Oma.“
„Die würde es mir auch nicht glauben – Nein, im Ernst: Ich rufe so früh an, weil Rubin noch eine Nachhilfestunde reingedrückt hat.“
„Rubin? Was … Moment – Rubin gibt dir Nachhilfe?! Wer hat das denn verbrochen?“
Oh, stimmt ja. Theo wusste davon noch nichts.
„Kirsten“, antwortete ich, „wer denn sonst?“
Einen Moment lang war es am anderen Ende still, dann sagte er:
„Das tut mir echt leid für dich. Deine Ferien sind gelaufen.“
„Wem sagst du das?“
Bei seinen nächsten Worten konnte ich das Grinsen heraushören.
„Und warum rufst du jetzt schon frühmorgens an? Um abzusagen oder um mich darauf vorzubereiten, dass du vorhast, dir den Frust von der Leber zu saufen?“
„Keins von beidem. Ich würde mich nur gerne mit euch treffen, bevor ich in die Nachhilfe muss; ansonsten zieht die sich noch in die Länge und dann ist der Tag plötzlich vorbei. Von meiner Laune ganz zu schweigen.“
„So schlimm?“
„So lang.“
Er lachte wieder, aber das war nicht verwunderlich. Theo lachte oft, im Gegensatz zu einem gewissen Jemand.
„Okay, was hältst du von eins? Ich habe gestern Abend mit Aaron gechattet und er meinte, es liefe ein guter Film im Kino, jeweils um zwei, sechs und acht Uhr.“
Dann wäre ich was, so gegen fünf bei Rubin? Warum nicht.
„Hört sich gut an. Sagst du Kim und so Bescheid? Ich muss noch Fee anrufen.“
„Sicher. Schreib mir eine SMS, ob sie auch kommt, okay? Damit ich die Karten bestellen kann.“
Ich bestätigte, verabschiedete mich und legte auf. Und um es hinter mich zu bringen, wählte ich gleich darauf Fees Nummer. Als sie abnahm, konnte man die Freude aus ihrer Stimme heraushören, so, wie bei Theo vorher das Grinsen.
„Vyvyan! Wie war deine Festtage?“
„Ganz angenehm dafür, dass Weihnachten mein Lieblingsfest ist“, antwortete ich, „wir hatten Kekse, Glühwein und Geschenke – was gibt’s Besseres?“
„Nun ja, ich kann nur für mich sprechen, aber ich glaube, den süßen Typen, den man sich vor kurzem geangelt hat, zu küssen, kommt ziemlich nah ran.“
Da mochte sie Recht haben – da ich mir aber keinen süßen Typen geangelt hatte, konnte ich leider nicht mitreden.

Mittwoch, 8. Januar 2014

Von Edelsteinen und Papierengländern 11:


Am nächsten Morgen hatte ich so wenig Lust wie selten, aufzustehen. Irgendwann war ich doch eingeschlafen, aber von Tiefschlaf oder erholend konnte nicht die Rede gewesen sein, denn ich fühlte mich wie gerädert – nein, wie gerädert, zermantscht, mit dem Mörser bearbeitet, durchgekaut und wieder ausgespuckt. Ein Blick zur Seite zeigte mir, dass Rubin nicht im Zimmer war. Wenigstens etwas, wenigstens einen Moment für mich, um mich auf heute vorzubereiten. Der Tagesplan soweit: Frühstück mit Rubin, Nachhilfe mit Rubin. Ju. Hu. Aber immerhin würde ich morgen – mit Theo und Kompanie weg müssen. Doppel-Juhu. Und am Tag danach wieder Nachhilfe. Verdammt noch mal, war es denn wirklich zu viel verlangt, in den Weihnachtsferien einen Tag lang nur auf dem Sofa herumzulümmeln und kleine Schwester-Prinzessinnen vor bösen Drachen zu retten?
Aber jammern brachte bekanntlich wenig. Je schneller ich die Sache anging, desto schneller würde mein Lümmel-Tag kommen. Und das gestern Abend, das war ein guter Anfang gewesen; es hatte mich zwar eine halbe Nacht Schlaf und ein paar blaue Kronjuwelen gekostet, aber ich hatte es überlebt. Wenn ich brav so weitermachte, war der Moment geistiger Umnachtung von vorgestern bald weit entfernte, fast vergessene Vergangenheit. Ganz abgesehen davon, dass die Nachhilfe auch einfacher und stressfreier werden würde, wenn mein Körper endlich kapierte, dass er auf Rubin nicht zu reagieren hatte. Genau. Ich setzte mich auf, schlug die Decke zurück und streckte mich ausgiebig. Auf in den Kampf!
Die Tür wurde leise geöffnet und Rubin trat ein, in Jeans, ohne Socken und mit einem Handtuch um den Schultern anstatt des Hemdes. Nasse Haare. Nasse, verstrubbelte Haare.
Hera, Hades und Hephaistos, warum hatte mir niemand gesagt, wie Rubin mit nassen, verstrubbelten Haaren und vom heißen Wasser leicht geröteter Haut aussah?!
Das war nicht fair. So früh am Morgen – einfach nicht fair. Plötzlich fühlte ich mich gar nicht mehr so müde und gerädert. Und das gerade dann, wenn ich mich entschieden hatte … aber so etwas passierte ja oft, nicht wahr? Der Verstand entschied etwas und bis der Körper das mitbekam, verging eben einige Zeit. Das war wie in der Geisterbahn: Der Verstand wusste, dass es nur ein alter Säufer im Bettlaken war, die Beine rannten trotzdem los und der Mund rief nach Mama.
Genau dasselbe Phänomen. Absolut.
Einhundertprozentig.
Wirklich.

Mittwoch, 1. Januar 2014

Von Edelsteinen und Papierengländern 10:


„Hier, das frische Bettzeug“, sagte Mum und warf einen Haufen Baumwollbettwäsche vor meine Füße, „Schlaft gut, ihr beiden.“ Sie gab mir noch einen Gute-Nacht-Kuss und watschelte dann in Richtung Elternschlafzimmer davon.
Ich seufzte. Was sollte ich auch sonst groß machen? Blieb mir ja nix andres übrig.
Ich sah kurz zu Rubin, der auch etwas unschlüssig wirkte, und griff dann nach der Daunendecke.
„Na dann, an die Arbeit, würde ich sagen. Je schneller wir das gemacht haben, desto schneller können wir ins Bad.“
Ich übernahm das Aufpumpen, er Decke und Kopfkissen und beim Bettlaken half ich ihm. So waren wir in kürzester Zeit fertig und ich verkrümelte mich ins Badezimmer, um mir lange und ausgiebig die Zähne zu putzen. Zu leugnen, dass ich nicht ein klitzekleines bisschen nervös war, hätte nicht viel gebracht, denn ich war der einzige im Bad und ich glaubte mir definitiv nicht.
Scheiße.
Wirklich: Scheiße!
Nach guten fünf Minuten, in denen ich mein Zahnfleisch ruppiger als nötig behandelt hatte, wusch ich mir schließlich den Mund aus. Ich wusste ja aus Erfahrung, dass es nichts brachte, wenn man vor seinem eigenen Zimmer oder dem, was darin auf einen wartete, davonlief. Außerdem würde eh nichts passieren. Wir waren müde, das war nicht gelogen gewesen. Und sowieso, das gestern war … vielleicht kein Ausrutscher, denn das hörte sich sogar in meinen Ohren nur wie eine verdammt billige Ausrede an, aber ein Moment geistiger Umnachtung gewesen. Ein langer Moment, zugegeben, aber Momente wurden zum Glück nicht in Sekunden gemessen.