Update-Info

07.01.2015: Ich wünsche allen ein (verspätetes) frohes neues Jahr! :)

Bei uns hat das Jahr leider mit einer Krebsdiagnose begonnen. Nicht meine, aber dennoch werden die Kapitel in absehbarer Zeit nur sehr unregelmäßig erscheinen.

Mittwoch, 5. November 2014

Von Edelsteinen und Papierengländern 24:

Wie lange wir so dalagen, konnte ich in Retrospektive nicht sagen, denn irgendwann driftete ich ab. Es war so warm und gemütlich und roch so gut und es war ruhig – was es bei uns zu Hause nach acht Uhr nie war – und ich hatte so wenig geschlafen und mein Kopf war endlich still. Nachdem ich mir den ganzen Morgen über Gedanken gemacht hatte, war das eine unglaubliche Erleichterung. Vor allem, da es Gedanken gewesen waren, die ich mir nicht hatte machen wollen, die ich am liebsten ganz tief begraben und nie wieder hervorkommen lassen hätte. Rubin und ich, klar.
Aber eben, mein Kopf hatte endlich eingesehen, dass die Panikmache nichts bringen würde und dass ein bisschen den Moment genießen und Schlaf nachdösen nicht schaden konnte. Bis, ja, bis sich die Situation änderte. Es begann schleichend, so dass ich den Anfang verpasste. Irgendwann mussten Rubins Finger angefangen haben, sich zu bewegen, langsam erst, in kleinen Kreisen oder kurzen Linien vielleicht. Warum sollte ich das auch bemerken? Da hatte sich ja noch nichts geändert – es war immer noch warm, schön, ruhig und wohlig – und ich döste zufrieden vor mich hin. Auch, als die Bewegungen größer und nicht mehr ganz so federleicht wurden, blendeten sie sich perfekt in meine Welt ein. Seine Lippen, die über meine Schulter geisterten, spürte ich zwar, aber sie gehörten einfach dazu und waren noch kein Grund, mit dem Dösen aufzuhören. Erst, als sie langsam über meinen Hals zur Kehle wanderten und ab und an von Zähnen abgelöst wurden, kroch mein Bewusstsein in meinen Körper zurück.

Rubin hatte sich ein wenig aufgerichtet, damit er besser hinkam, und seine rechte Hand fuhr meine Seite hinunter, dann in mein Kreuz, das sich ihm fast ohne mein Zutun entgegendrückte. Er schob sich etwas mehr über mich, stütze sich mit einem Ellenbogen auf der Matratze neben mir ab und fing an, intensiver an meiner Kehle zu knabbern.
„Rubin?“, fragte ich leise und unterdrückte den Drang, mich zu räuspern. Dann war meine Stimme eben rau, schien ihn nicht zu stören.
Lippen lösten die Zähne ab, bahnten sich in Schlangenlinien einen Weg zu meinem Ohr. „Hm …“
Es war nur ein Brummen, ein sanftes Vibrieren seiner Stimmbänder, aber irgendwie schaffte er es, mir damit zu verstehen zu geben, dass er jetzt nicht reden wollte. Okay, dann nicht. Ich schloss die Augen wieder und entspannte mich, während meine Hände ganz von selber seinen Rücken fanden, auf kurzen Umwegen zu seinem Hintern gelangten und sich hineinkrallten. Es war definitiv schon zu lange her gewesen, seit sie das getan hatten. Ihm schien es auch zu gefallen, denn er zwickte mich genüsslich ins Ohrläppchen, bevor er seine Position erneut veränderte, ein Knie zwischen meine Beine drängte und sie langsam, fast schon gemütlich auseinanderdrückte. Er ließ erst von meinem Ohr ab, als er sich aufrichtete und, immer noch in der gleichen Nicht-Geschwindigkeit, vollständig über mich schob.
Ich biss mir auf die Lippen und stöhnte leise, als sein Stoff meinen Stoff berührte. Nachdem der erste Schock vorüber war, wurde mir bewusst, dass er sich nicht weiter bewegte, also öffnete ich meine Augen und wollte ihn fragen, was los sei – doch ich brachte keinen Ton heraus.
Rubin lag über mir, auf mir, stütze sich neben meinem Kopf ab und sah auf mich hinunter. Seine Haare waren verstrubbelt und fielen ihm ins Gesicht, seine Augen leuchteten warm und sein Lächeln – bei Eros, wenn er dieses Lächeln auch nur ein einziges Mal in der Schule zeigen würde, könnte er sich vor Verehrerinnen kaum mehr retten!
Er ruckelte leicht hin und her, als er sich auf seine Ellbogen hinunterließ, und dadurch, dass  unsere Bäuche jetzt aufeinanderlagen, wurde mir bewusst, wie heftig sich mein Brustkorb hob und senkte. Oh, und es schickte Stromstöße durch meinen Körper, ganz nebenbei. Ich musste mich beherrschen, mich ihm nicht entgegenzudrücken, aber so verzweifelt wollte ich dann doch nicht rüberkommen – wenn er die Selbstbeherrschung hatte, einfach so stillzuliegen, dann hatte ich die auch. Ich hoffte nur, seine war bald aufgebraucht.
Zuerst schien es so. Er hob eine Hand, strich mit dem Daumen über meine Schläfe und stützte sich dann wieder ab, nah genug, dass er beide Hände in meine Haare vergraben und meinen Kopf so fixieren konnte. Dann kam er herunter, drückte seine Lippen auf meinen Hals und rieb sein Becken richtig an meinem.
Oh fuck, ja! Genau das hatte ich gewollt – und, wenn ich ehrlich war, hatte ein gewisser Teil von mir seit dem er vorhin vor mir gekniet und meine Jeans geküsst hatte, in freudiger Alarmbereitschaft gewartet – genau hierauf.
Wie zum Hades schaffte er es nur, mich von einer Sekunde auf die andere ins Hirntodland zu befördern? Rubin war ein Instant-IQ-Auslöscher. Schlimm. Aber auch geil.
Ich drückte mich ihm entgegen und wollte die Reibung erhöhen, aber als er die Lippen von meiner Haut entfernte, hob er auch seinen Körper wieder an.
Was sollte das denn jetzt?!
Ich musste die Augen schon wieder öffnen und wurde erneut mit diesem Lächeln schachmatt gesetzt. Scheiße aber auch. Vergesst die Verehrerinnen, wenn er das in der Schule aufsetzen würde, könnte er sich vor Verehrern nicht mehr retten – auch solchen, die ansonsten hetero waren.
Meine Fresse.
Obwohl, nein. Wenn ich ihn so ansah und spürte und er mich so ansah – ich wollte nicht, dass er das Lächeln in der Schule zeigte. Oder irgendwo sonst außer hier bei mir. Rubin und ich waren kein Wir und ich hatte somit kein Recht auf Besitzansprüche, aber dieses Lächeln, das wollte ich für mich. Nur für mich. Das sollte ja wohl drinnliegen und erlaubt sein. Ein Lächeln gegen … keine Ahnung, was er wollte, aber dagegen eben.
Wieder kam er zu mir herunter, wieder berührten mich gleichzeitig seine Lippen und seine Körpermitte und wieder verpuffte mein Verstand zu Staub. Das konnte doch nicht wahr sein. Ich brauchte mehr, verflucht! Und damit ich das auch bekam, wollte ich ihn diesmal nicht so schnell wieder gehen lassen; also hielt ich mit den Händen dagegen, als er sich wieder entfernen wollte.
Rubin hielt inne und murmelte: „Relax.“ Wanderte mit den Lippen drei Millimeter weiter. Ich wollte meine Hüften heben, um ihm klar zu machen, was ich davon hielt, jetzt zu relaxen, aber sein Mund tanzte erneut über meine Haut: „Don’t. There’s no hurry.
Und ich ließ meine Hüften wieder sinken. Wollte ihn ja nicht aus der Stimmung bringen. Wenn er dachte, dass wir uns Zeit lassen sollten, bitte, dann ließen wir uns eben Zeit. Keine Ahnung, woher er die Geduld nahm, aber ich hoffte inständig, dass sie ihm bald ausging.
Wenigstens entfernte er sich nicht mehr, sondern lag schwer mit seinem Gewicht auf mir und drückte mich in die Matratze. Seine Lippen liebkosten meinen Hals, mein Ohr, meine Schultern und mein Schlüsselbein und bei jedem kurzen, langsamen, genießerischen Kuss rieb er seinen Unterkörper ebenso kurz, langsam und genießerisch an meinem. Und dazwischen, manchmal, ein gewispertes „Vyvyan …“.
Ich starb nicht tausend Tode, sondern Millionen. Meine Finger waren längst in seiner Unterhose verschwunden und knetete seinen Arsch im Takt seiner Bewegungen. Und irgendwann kam mir der Gedanke, dass es, vielleicht, gar nicht so schlimm wäre, mit Rubin weiterzugehen. Nicht heute, nicht jetzt, verstand sich, aber das stand wohl sowieso nicht zur Debatte – denn egal, wie lange ich sein Hinhalten aushielt, er erhöhte das Tempo einfach nicht! Im Gegenteil, er schien vollkommen zufrieden zu sein – aber ich spürte, dass er ebenso hart war wie ich, verdammt noch mal!
Schließlich konnte ich nicht mehr.
„Rubin!“
„Hm …“, brummte er völlig zufrieden, „What?
„Red Deutsch!“
Anything for you“, erwiderte er, leckte meiner Ohrmuschel entlang und kam dann hoch, damit er mich anschauen konnte. „Was ist los?“
Was los war? Konnte er sich das nicht denken, verdammt noch mal?
„Mach endlich!“ Mir war bewusst, dass die gewollte Forderung sich mehr wie eine Bitte anhörte, aber es war mir egal. Solange es ihn dazu brachte, das Tempo anzuheben, war mir alles egal.
Wieder dieses Lächeln. Mittlerweile war es genauso Qual, wie seine gemütlichen Berührungen Qual waren; es war zu viel und zu wenig zur gleichen Zeit.
„Tu ich doch schon die ganze Zeit.“
Er hatte echt die Frechheit, sich dumm zu stellen. Das gab’s doch nicht!
„Du weißt, was ich meine“, versuchte ich zu zischen, aber es misslang genauso wie das Fordern. Scheiß Hirntodland.
Vyvyan, versuch doch ein…“
„Ich will kommen, verdammt!“, unterbrach ich ihn heftig – und nein, das war mir nicht peinlich. War ja nicht so, als ob das ein großes Geheimnis wäre, so angespannt wie mein ganzer Körper war. „Jetzt!“
Er sah mich verwundert an. „Das ist Pech.“
Bitte?
Pech?!
„Was soll das denn jetzt heißen?“ Da, bitte, das Zischen kam schon authentischer rüber. So langsam kämpfte ich mich auch aus dem Hirntodland hervor.
„Ich habe nicht vor, dir jetzt einen Orgasmus zu bescheren“, antwortete er doch tatsächlich – und das mit einer Ruhe, die ich einfach nur unmöglich fand. „Mir selbst auch nicht. Keiner kommt vor der Nachhilfe.“
Keiner kommt vor …
„Du verarscht mich doch.“
Bitte, bitte lasst ihn mich verarschen!
„Nein.“
„Was soll das denn bitte?!“ Ich wollte hoch, aber er lag nicht nur immer noch auf mir, sondern hatte auch immer noch die Finger in meinen Haaren und hielt so meinen Kopf. „Wieso fängst du mit Intensivkuscheln an, wenn du …“
„Das ist doch kein Intensivkuscheln“, widersprach er mir sanft, „das ist höchstens Mediumkuscheln.“
„Mediumkuscheln.“
„Genau“, bestätigte er, „Mediumkuscheln. Umgangssprachlich auch schmusen genannt.“
Schmu… schmusen? Wir schmusten doch nicht! Schmusen, das hörte sich so, so … also, so gar nicht nach uns an!
„Du verarscht mich doch …“, wiederholte ich kraftlos. Das konnte echt nicht sein Ernst sein. Schmusen statt rummachen, wer kam denn auf solche Ideen?
Rubin senkte den Kopf und küsste die Kuhle meines Schlüsselbeins. „Würde ich nie.“ Er presste sich wieder gegen mich und ich stöhnte ungewollt auf, zu gleichen Teilen erregt wie frustriert. Er konnte mich doch nicht so hängenlassen – und noch weniger konnte er jetzt einfach noch wer weiß wie lange so weitermachen!
„Willst du das ich bettle?“ Würde ich. In dem Moment hätte ich ihn wahrscheinlich sogar angefleht; ich hatte so lange gewartet, bis ich nicht mehr warten konnte, und jetzt war auch alles scheiß egal.
Rubin hielt inne, stemmte sich erneut hoch und rutschte sogar ein wenig an mir rauf, so dass er mir direkt in die Augen sah.
„Nein, Vyvyan, ich will, dass du lernst zu genießen.“

Genießen.
Nun, meine Damen und Herren, war es offiziell: Rubin hatte sie nicht mehr alle. Ich hatte es genossen! Sehr sogar – aber dann war der Punkt gekommen, ab dem ich es nicht mehr genießen konnte, weil es einfach zu viel wurde – verstand er das denn nicht? Mal ehrlich, das musste er doch verstehen, das musste er doch vorausgesehen haben! Was erwartete er denn? Ich hatte schon oft genug bewiesen, dass ich die Selbstdisziplin eines läufigen Chihuahuas hatte, wenn es um ihn ging, da konnte er doch nicht …
Die Finger seiner Linken begannen, mich beruhigend zu kraulen. „Berührung muss nicht immer zu Sex führen.“ Er küsste meine Schläfe. „Erregung ebenfalls nicht.“ Meine Stirn. „Manchmal ist es schön, einander zu berühren, einfach nur die gegenseitige Nähe, sogar die gegenseitige Erregung zu genießen, ohne dabei das ‚Ziel‘ Orgasmus zu verfolgen.“ Die andere Schläfe. „Schmusen, eben.“
Ich rümpfte die Nase. „Mediumkuscheln.“
Er lächelte und küsste meine Nasenspitze. „Genau. Mediumkuscheln.“
So ein Schwachsinn. Schmusen. Wozu sollte das denn gut sein, außer Frust und blauen Kronjuwelen?
„Sei ehrlich: Wie oft wollte dich jemand schon am liebsten kastrieren, weil du lieber schmusen wolltest, statt ihm oder ihr Erlösung zu verschaffen?“
„Ihm“, stellte er richtig, „Und: noch nie.“
Okay, schoss es mir durch den Kopf, Rubin ist also schwul. Nicht bi oder was auch immer.
Irgendwie … kein schlechter Gedanke.
„Glaub ich dir nicht“, gab ich zurück, doch er zuckte nur mit den Schultern.
„Es ist die Wahrheit.“ Ein Zögern, dann: „Das ist mein erstes Mal.“
„Dass dich jemand am liebsten kastrieren möchte?“ Ich schnaubte und konnte für einen Moment meine pochende Körpermitte ein Stück besser ignorieren. „Bitte, wir wissen beide, dass das nicht wahr ist. Ich hab’s selber schon oft genug tun wollen.“
„Dass ich … mediumkuschle.“
Oh.
Rubin – er … oh.
Also, … 
Hm.
Was sollte ich darauf sagen? Machen konnte ich ja nicht viel außer daliegen und mir selbst leid tun, weil sein mit Stoff bekleidetes Körperteil nicht mehr auf meinem mit Stoff bekleidetem Körperteil ruhte – oder noch besser, nicht-ruhte – aber zumindest sagen sollte ich wahrscheinlich etwas. Nur dumm, dass mir ums Verrecken nichts einfiel. Also sah ich stumm zu ihm hoch, und er zu mir runter, und … und irgendwo zwischen Zitronengras und Bettwärme und seinem Hintern unter meinen Fingern fing mein Herz an, unerträglich laut und ungesund schnell zu klopfen.
Nach langen Sekunden drückte er seine Lippen auf meinen Mundwinkel und murmelte: „Echt schade, dass du mich nicht küssen willst.“
Wem sagte er das.
Vielleicht, wenn ich jetzt den Mund öffnete …
„Also muss ich entweder bis nach der Nachhilfe warten oder mir selber einen runterholen?“
Nee, anscheinend doch nicht.
Rubin sah mich überrascht an und schmunzelte dann. „Sieht so aus, ja.“
So eine Scheiße aber auch.
Wichsen konnte ich auch zu Hause; wenn ich schon hier war, wollte ich auch … Rubin eben. Also stand die Entscheidung eigentlich schon fest.
Blöder amerikanischer Bastard. Das konnte er mir doch nicht antun!
Offenbar ja doch. Bastard!
Ich seufzte und Rubin lächelte. Musste ihm wohl nicht erst sagen, welches Türchen ich gewählt hatte.
Nein, ganz klar nicht, denn er rutschte wieder ein wenig runter und presste sich gegen mich. „Keine Angst“, sagte er und biss mir spielerisch in den Hals, „sobald die Nachhilfe vorbei ist, lutsch ich dich in den Himmel und zurück.“ Er sah mit blitzenden Augen auf und verstärkte den Druck auf meinen Schritt. „Natürlich nur, wenn du möchtest.“
Bas. Tard.
Zu meiner Schande entwich meiner Kehle alleine bei der Vorstellung ein Laut, der sich verdammt nach einem Wimmern anhörte. In den Himmel und zurück. Gelutscht. Von Rubin. Ob ich das möchte? Dümmste Frage des Jahrtausends.
„Du stehst drauf, die Kontrolle zu haben, oder?“, fragte ich, als ich mich wieder ein bisschen gefangen hatte.
Rubin hielt inne, sah mich erneut an und lächelte halb amüsiert, halb … warm. Dann wurde sein Blick ernst, ohne aber die Wärme zu verlieren.
„Ich steh auf alles“, antwortete er und sein Griff in meinen Haaren wurde ein wenig fester, „Ich stehe darauf, bei dir die Kontrolle zu haben.“ Der Griff löste sich, dafür schmiegte er seine Wange an meine und verharrte einen Moment so. „Ich stehe darauf, wenn du die Kontrolle übernimmst.“ Dann küsste er sich meinen Hals hinunter bis zu meiner Brustwarze. Ich glaube, ich hinterließ Kratzspuren in seinem Hintern, als ich seine plötzlich Zähne spürte. „Und am meisten stehe ich drauf, wenn wir sie beide, zusammen, verlieren.“

*** 

Keine Ahnung, wie ich Frühstück und Nachhilfe überlebte. Das … Mediumkuscheln war danach sogar irgendwie … 
Hm, ja. Also, nachdem ich wusste, dass ich gar nicht erst auf einen Orgasmus warten musste, weil der nie das Ziel gewesen war – zumindest von Rubins Seite aus – war ich um einiges entspannter und konnte es sogar genießen. Es war zwar immer noch frustrierend, aber … es war meine Entscheidung, mich davon frustrieren zu lassen. Ich hätte mir ja Erlösung verschaffen können, aber ich wollte nicht. Auch nicht, wenn Rubin danach trotzdem noch für einen Blowjob zu haben gewesen wäre – ich wollte nicht vorher kommen. Und so … ja, es war frustrierend, aber auch aufregend und … erregend. Gerade die Tatsache, dass es nicht weiter gehen würde, war erregend, irgendwie, auch wenn ich echt nicht sagen konnte, wieso.
Die Nachhilfe auf der anderen Seite war eine Herausforderung. Verflucht noch mal, wie sollte ich mich konzentrieren, wenn er mir erstens so etwas versprochen hatte und zweitens auch noch die ganze Zeit so nah war und ich drittens sehen konnte, dass er ebenfalls daran dachte? Oder wenn er leise murmelte: „Only three exercises left“ und dabei meinen Nacken kraulte? Himmel, Arsch und Zwirn! Es gab wirklich keinen Grund, die Stirn ob all meiner Fehler zu runzeln – er sollte froh darüber sein, dass ich trotz allem vor Anbruch der Dämmerung fertig wurde. Und das auch nur, weil der heutige Stoff nicht so viel war.
Und dann, als ich endlich, endlich, endlich den letzten Punkt hinter das letzte Wort der letzten Antwort zur letzten Übung setzte, ließ ich mich erschöpft nach hinten fallen und schloss meine Augen. So anstrengend war die Nachhilfe noch nie gewesen! Ich fühlte mich, als hätte ich einen Marathon hinter mir – fast erschöpft genug, um keinen Bock mehr auf Intensivkuscheln zu haben, aber nur fast. Und als ich Rubins Stimme hörte und seine ersten Berührungen fühlte, verschwand das Fast auf Nimmerwiedersehen und nahm die Erschöpfung gleich mit.
You really gave your best today“, sagte er und beugte sich im Stehen über mich, um meine Stirn zu küssen. Dann meine Schläfe. Meine Wange. Kinn. „I know it wasn’t easy.“ Hals. Schlüsselbein. Hände auf meinem Bauch, unter meinem Shirt. Ich atmete zitternd aus und drückte mich ihm entgegen. Mehr, mehr, mehr! Endlich würde ich mehr bekommen.
But you were so …“ Der Stoff wurde hochgeschoben, seine Lippen fanden die freigelegte Haut. „… so incredibly diligent.“ Sie wanderten langsam hinunter, Rippe für Rippe, Zentimeter für Zentimeter. Bauchnabel!You have no idea what a turn-on that is.
Angetörnt, ja, das war ich auch. Worauf wartete er, verdammt noch mal?
Als hätte er meine Gedanken gelesen, legte er die Hand in meinen Schritt und drückte leicht zu. „Now, let’s make good on that promise, shall we?
Ja. Was auch immer er gerade gesagt hatte, wenn es dazu führte, dass die Hand – oder noch etwas Besseres – da blieb, dann ja!
Er rieb mit der Handfläche über meinen Reißverschluss und küsste meinen Bauch.
Vyvyan?
Was denn?!
Ich öffnete meine Augen, hob meinen Kopf und sah zu ihm hinunter. Ach du Scheiße.
Er kniete zwischen meinen Beinen, total verstrubbelt und – wann hatte er sein Shirt ausgezogen? Schon wieder dieses Lächeln. Wenn er so weitermachte, würde ich sterben. Jetzt, hier auf dem Bürostuhl. Einfach, puff und weg.
Er nahm seine Hand weg und drückte erneut seine Lippen auf den Stoff, wie vor ein paar Stunden, lächelnd und ohne den Blick von mir zu nehmen.
Do you want me?
Yes“, gab ich ungeduldig zurück und das Lächeln wurde breiter.
Good. I want you, too.
Und dann öffnete er, endlich, meine Hose.
And I’m glad we’re finally speaking the same language.
Jaja, ganz supi war das. Wenn er nur – 
Ich hob meinen Hintern an, damit er mir Hose und Pants in einem ausziehen konnte. Einen Moment lang fühlte sich die Zimmerluft kühl auf meiner Haut an, dann umfasste er mich.
You mind taking off your shirt for me?“, fragte er dunkel, während sein Daumen rauf und runter strich.
Mein Shirt? Nee, kein Ding. Drei, zwei, eins – weg war das Teil, flatterte durch die Luft und landete irgendwo auf dem Boden.
Ich sah zu ihm herunter, fordernd, bittend, fragend, doch es dauerte einen ewigen Moment, bis er seine erneute Musterung meines Körpers abgeschlossen hatte und meinen Blick gierig erwiderte. Dann huschten die Grübchen über sein Gesicht und er senkte den Kopf, um –
„Rubin!“, keuchte ich und streckte die Hand aus, um ihn aufzuhalten, „Kondom?“
Er sah erneut hoch und schien nachzudenken, während sein Daumen wieder anfing sich zu bewegen. Und bei jedem Richtungswechsel verminderte sich meine Denkfähigkeit um fünfzig Prozent.
„Wenn du nicht clean bist …“, begann er und leckte einmal kurz oberhalb seines Daumens über meine Haut. Ich kniff meine Augen zu und biss mir auf die Unterlippe, konnte aber nicht verhindern, dass mein Becken ruckartig nach oben stieß. „… dann habe ich mich bereits angesteckt; vorgestern habe ich ja auch geschluckt.“
‚Auch‘.
Oh Götter, ‚auch‘! Würde er etwa wieder – wieso machte mich die Vorstellung nur so an?
„Ich bin clean“, presste ich durch den Schleier, der sich um meine Denk- und Handlungsfähigkeit gelegt hatte, hervor, „Seit meiner ersten Freundin, jährliches …“ Sein Griff wurde fester und ich stockte. „… Screening. Pflicht bei uns.“ Wegen Mum und ihrem Gesundheitsfimmel, aber an sie wollte und konnte ich gerade absolut nicht denken. „Seit dem letzten hatte ich keinen …“ Wieder spürte ich seine Zunge und diesmal könnte ich meine Stimme nicht im Zaum halten.
Great“, erwiderte er und küsste mich – ihn – whatever, „Ich auch.“ Und dann setzte er sich doch tatsächlich auf und begann in einer seiner Schreibtischschubladen zu wühlen! Wie konnte er mir das antun, verfluchte Scheiße?! Sicher, er nahm dazu die freie Hand und mit der anderen – oh, ja, genau da! – aber trotzdem. Konnte er sich bitte auf seine Aufgabe –
„Hier, mein Beweis“, sagte er und ich brauchte einen Moment, bis ich den hingehaltenen Zettel nehmen konnte – und noch etwas länger, bis ich seine Worte verstand, „von Anfang Dezember. Seither habe ich niemanden angerührt.“ Wieder seine Zunge, länger diesmal, verspielter, und – oh Scheiße, Zähne! Ganz sachte nur, vorsichtig, aber – fuck me, war das heiß! Sein Testbericht segelte gen Boden, ohne dass ich auch nur die Chance gehabt hätte, zu prüfen, ob es wirklich ein Testbericht oder bloß ein weißes Blatt Papier war.
Except for you, of course“, fügte er hinzu, bevor er mich endlich endgültig ins Elysium schickte.

***

Nachdem ich schon den ganzen Morgen darauf gewartet hatte, hätte ja um so einiges gewettet, dass ich nicht lange durchhalten würde, aber ich hätte verloren. Nur war das nicht mein Verdienst, sondern Rubins. Er zögerte es hinaus, brach immer wieder kurz davor ab und konzentrierte sich lieber auf meinen Bauch oder meine Innenschenkel oder – es war unerträglich geil. So sehr, dass mir irgendwann im Halbdelirium der Gedanke kam, das Schwulsein vielleicht gar nicht so schlimm war, wenn es dieses Ausmaß an Genuss brachte. Ich hatte mir nicht einmal erträumen lassen, das so was überhaupt möglich war. Allerdings traf das natürlich nur auf das Schwulsein an sich zu – auf das, was zwischen Rubin und mir ablief, sozusagen – und nicht Schwulsein in Verbindung mit der Gesellschaft oder dem Gesetz. Oh, nein, definitiv nicht. Aber hier, solange es nur um ihn und mich ging, war’s gar nicht so schlecht. Untertreibung des Jahrhunderts.
Ja. Untertreibung des Jahrhunderts und Orgasmus meines Lebens. Keine Ahnung, wie er das hingekriegt hatte, aber … holla die Waldfee – obwohl die ja nichts damit zu tun hatte. Also wohl eher: holla die Rubinfee!
Jedenfalls war ich danach nicht nur außer Atem und durch, ich war weg. Nicht im Hirntodland, einfach nur weg. Ich hing im Bürostuhl, versuchte, Herz, Atmung und Gliedmaßen wieder halbwegs unter Kontrolle zu bekommen und wusste gleichzeitig, dass mir das erst mal nicht gelingen würde, weil ich noch nicht einmal mehr sicher war, ob ich so etwas wie Herz, Atmung und Gliedmaßen überhaupt besaß. Interessanterweise spürte ich dennoch Rubins Hände sehr deutlich auf mir, als er sie auf meine Hüften legte und mich auf seinen Schoß zog. Der Stuhl rollte nach hinten und verließ damit meine Welt, während Rubins Körperwärme und Zitronengrasduft ein Teil von ihr wurden. Und auch wenn ich meine Gliedmaßen nicht unter Kontrolle hatte, legten sich meine Arme dennoch um seinen Hals, damit ich nicht von ihm herunterfiel.
Eine Weile saßen wir einfach so da, mein Gesicht in seinen Haaren vergraben. Dann fragte er leise:
You liked that?
„Ja.“ Meine Stimme klang dumpf und leise und ich sprach das Wort in seine Haare, war aber wahrscheinlich nah genug an seinem Ohr, dass er es trotzdem hörte.
Dumme Frage – aber der Gedanke kam erst, nachdem mein Mund schon geantwortet hatte.
Wanna do it again?
Ich versuchte mich ein wenig aufzurichten, um ihn zu fragen, ob das sein Ernst war – ich konnte jetzt unmöglich noch mal! – doch er fügte hinzu:
Not now, of course, but … sometime? Tomorrow, maybe, or the day after – or whenever, really?
Irgendwann? Morgen? Keine Ahnung, ob ich bis morgen schon wieder einsatzfähig sein würde, aber ja. Wenn ja, dann ja. Definitiv ja. Ich nickte.
Good. But you have to know, I really don’t like the taste of condoms.“ Kurze Pause. „I’d still go down on you, of course, but if you want it to last just as long and be just as intense …
„Was is’ mit Kondomen?“, nuschelte ich überfordert. Ich wusste, dass ich mich normalerweise wegen seiner Sprachwahl aufregen würde, aber gerade hatte da einfach keine Energie für.
„Ich mag den Geschmack nicht.“
Konnte ich verstehen, vor allem, wenn sie so schmeckten, wie sie rochen. Ich für meinen Teil hatte noch nie eins in der Hand gehabt und dann den Drang gespürt, es abzulecken. Urgs.
„Wenn du das also wiederholen möchtest – genauso intensiv, genauso ausgiebig – dann müssten wir das Kondom am besten wieder weglassen können.“
Okay. Kein Ding, hatte ich nix gegen.
„Aber“, fuhr er fort, „dazu muss ich mir sicher sein können, dass du weiterhin gesund bist.“
Ja, klar. Verständlich. Hatte auch noch nie was Ansteckendes gehabt, zumindest keine sexuell übertragbare Krankheit.
Er zögerte, dann wanderte eine seiner Hände meinen Rücken hinauf bis zum Nacken und begann zu kraulen.
Sehr gut, nicht mehr aufhören bitte.
„Bin clean.“
„Ich weiß“, erwiderte er und ich konnte die Grübchen hören. Die Grübchen waren echt super. „Ich auch. Solange wir also nur miteinander Kontakt haben, gibt es keinerlei Gründe, ein Kondom zu benutzen.“
Ja, logisch. Schön, dass er eins und eins zusammenzählen konnte.
„Wenn du möchtest, dass ich das Kondom auch in Zukunft bedenkenlos weglasse, möchte ich mir sicher sein können, dass ich das gefahrlos tun kann.“
Auch logisch. Worauf wollte er hinaus?
„Kannst du mir das versprechen, Vyvyan? Dass du dich auf niemand anderen einlässt? Kein Küssen, kein Rummachen, kein gar nichts?“
„M-hm“, machte ich zufrieden. Kein gar nichts, kein Ding. Mit Fee wollte ich ja Schluss machen und danach hatte ich erst mal ‚Trauerphase‘, da würde es nur komisch kommen, wenn ich mir eine neue Freundin suchen würde. Und eigentlich – also, eigentlich sollte mein Ruf es auch aushalten, dass ich ein Weilchen Single blieb. Waren ja eh nur noch ein paar wenige Monate an dieser Schule. Ja, genau. Den Stress mit einer neuen Freundin konnte ich aus meinen Pflichten streichen. Schön.
Rubin hörte auf zu kraulen und schob mich an der Schulter so weit von sich weg, bis ich ihn ansehen konnte.
Vyvyan?
Was guckte der mich so fragend an? Ich hatte doch bereits zugestimmt.
Aber irgendwie … sah er auch ein bisschen unsicher aus. Wahrscheinlich. War gerade schwierig, mich auf seine Gefühle zu konzentrieren, ich war einfach viel zu zufrieden dafür.
„Kein gar nichts mit niemandem“, bestätigte ich noch einmal.
„Außer mir.“
Ja, du Genie.
„Außer dir.“
Eine Sekunde lang konnte ich sein Gesicht strahlen sehen, dann beugte er sich vor und küsste meinen Mundwinkel. „Attaboy!
Keine Ahnung, was das schon wieder bedeutete, aber – auch egal. Seine Haut auf meiner Haut war auf jeden Fall ein tolles Gefühl.


*********

Ich konnte nicht fassen, dass er zugestimmt hatte – war ihm überhaupt bewusst, was er da gerade versprach? Scheiße, ich hoffte, er nahm das nachher nicht zurück. Würde er nicht, oder? Eigentlich stand er ja dazu, wenn er etwas gesagt hatte. Nur seine Handlungen überforderten ihn manchmal. Oder meine. Egal – er würde es sicher nicht zurücknehmen. Ich war jetzt einfach mal Optimist und genoss den Moment und die Bedeutung seiner Worte. Klar, es war keine Beziehung, das bildete ich mir nicht ein, aber – ich brauchte mir keine Gedanken mehr machen, nicht wegen Felizitas und nicht wegen den anderen Mädchen in der Schule, die sich sicher darüber freuen würden, wenn sie erfuhren, dass er wieder Singlestatus innehatte. Denn sie wussten nicht, dass er zwar Single, aber dennoch nicht zu haben war. Und das, weil er mir versprochen hatte, nur noch mich anzufassen. Mich!
Und an seinem Beziehungsstatus würden wir auch noch arbeiten. In Ruhe, denn irgendwie fühlte ich mich, als hätte man mir eine Deadline erlassen. Ich musste keine Angst haben, dass er was mit wem anders anfing. Solange ich das Kuschelrecht hatte, ließ er die Finger von anderen – küssen inklusive. Also würde ich nicht plötzlich in der Schule damit konfrontiert werden, wie er irgendeiner dummen Tussi gab, was er mir verweigerte.
Ich konnte es immer noch nicht glauben. Ich saß auf meinem Zimmerboden, hatte die Arme um Vyvyan geschlungen, der sich an mich kuschelte und zugestimmt hatte exclusive zu sein.
Meins. Nun aber wirklich: meins, dammit!

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