„W – was machst du?“
Es war ein Scherz. Ein Missverständnis. Es passierte gar nicht.
Es konnte nicht passieren.
„Nach was fühlt es sich an?“
Das würde ich nicht beantworten. Wäre ja noch schöner, wenn ich auch noch aussprechen würde, dass seine Lippen gerade – nicht daran denken.
„Sag mal, spinnst du?“, knurrte ich, konnte aber die Panik, die mich erfasst hatte, nicht ganz aus meiner Stimme heraushalten. Dieselbe Panik, die mich wie versteinert stehenbleiben ließ, wenn ich mich eigentlich umdrehen und ihn weit, weit wegschubsen sollte.
„Maybe, a little.“ Rubin nahm beim Sprechen die Lippen nicht von meiner Haut, so dass ich nicht nur seinen Atem, sondern auch jede einzelne Bewegungen fühlen konnte – aber das war kein Problem, denn es passierte nicht wirklich und deshalb konnte es auch nicht bewirken, dass sich das Kribbeln über den ganzen Rücken ausbreitete. Das konnte doch nicht wahr sein! Nicht hier, nicht jetzt, nicht mit ihm …
„Sprich gefälligst Deutsch mit mir!“
… und nicht während Englisch! Auch nicht auf Englisch – einfach gar nicht!
Ich wollte mich umdrehen, wollte mir selbst beweisen, dass ich ihn anschauen und wegschieben konnte, aber er legte seine Linke auf meine Hüfte – und ich blieb, wo ich war.
Scheiß Körper, scheiß Hormone! Das war doch unfair.
„Ich habe eine Freundin!“
„Felizitas“, erwiderte er und wanderte mit dem Mund langsam, fast ohne mich zu berühren, von meiner Halsbeuge zu meinem Nacken, „wir wissen beide, dass sie nur ein Accessoire ist.“ Als er bei meinem Halswirbel ankam, dort, wo es am stärksten prickelte, zog ich scharf die Luft ein.
„Du bist hier sensibel.“ Das war keine Frage, das war noch nicht einmal wirklich eine Feststellung, es war mehr … eine Aussage, die er damit bekräftigte, indem er seine Lippen ein wenig stärker darauf presste. Diesmal hatte ich meinen Atem unter Kontrolle, aber dass ich meinen Kopf unbewusst ein wenig nach vorne beugte, konnte ich nicht verhindern.
Scheiße, scheiße, scheiße! Wie zum Hades waren wir in diese Situation geraten?
„Wie kommst du auf den Scheiß?“, fragte ich schließlich und schloss dabei die Augen, um meine ganze Konzentration darauf verwenden zu können, meine Stimme möglichst normal klingen zu lassen. Und abweisend, das durfte ich nicht vergessen. Viel Erfolg hatte ich nicht, aber es war besser als gar nichts und meine Augen konnte er ja nicht sehen.
Warum konnte ich ihn nicht einfach wegschieben?
„Man braucht nur Augen im Kopf zu haben.“ Die Hand, mit der er sich bis vorhin noch auf die Tür gestützt hatte, fuhr jetzt über meine Schulter und den Oberarm hinab. „Außerdem sind wir beide uns ähnlicher, als du zugeben willst.“
Finger an meinem Handgelenk, über meinem Handrücken, zwischen meinen eigenen Fingern. Doch anstatt sie mit meinen zu verhaken, ließ er sie einen Moment dort, bevor sie wieder zurückwanderten.
Ich wollte sagen, dass das nicht stimmte, denn wir waren grundverschieden, aber alles, was ich herausbekam, war:
„Ähnlich?“
Vier Jahre. Vier verfluchte Jahre hatte ich mich unter Kontrolle gehabt. Irgendwann wäre es sowieso passiert, das war mir klar, aber erstens hätte ich mir mehr Durchhaltevermögen zugetraut und zweitens – ausgerechnet bei … mit …wegen Rubin? Das war doch wohl ein schlechter Scherz!
„M-hm.“ Erst dachte ich, dass das seine ganze Antwort war, aber dann fuhr er fort, in einem Tonfall, der mich dazu brachte, mich noch fester an die Türklinke zu krallen: „Wir halten beide nicht viel von den Mitschülern, auch, wenn du es vorziehst, sie das nicht merken zu lassen. Wir wollen beide mehr vom Leben, als diese Illusion einer Kleinstadtidylle inmitten einer Großstadt.“ Ich biss mir auf die Lippen, als er damit anfing, an meinem Nacken zu knabbern. Ich hatte nicht gewusst, dass ich dort so empfindlich war, denn bisher hatte mich noch niemand dort geküsst – zumindest nicht auf diese Weise – aber es war fast nicht zum Aushalten. „Und im Moment sind wir vor allem beide ausgehungert.“
Wa…
„Ich bin nicht ‚ausgehungert‘.“
„Nein?“ Er lachte leise, dunkel, so dass sich jedes einzelne Härchen an meinem Körper aufstellte. Scheiße. „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Felizitas dich rangelassen hat, schließlich seid ihr noch nicht einmal einen Monat zusammen und die ganze Schule weiß, dass ihr letzter Freund sie verlassen hat, weil sie ihm nach vier Monaten noch nicht nachgegeben hatte.“
Ich beneidete ihn um die Fähigkeit, noch so ruhig und kohärent sprechen zu können, auch wenn man ihm anhören konnte, dass die Berührungen nicht spurlos an ihm vorbei gingen. Bei mir aber schaltete nicht nur die Stimme, sondern nach und nach auch das Gehirn aus – und etwas anderes ein. Das war gar nicht gut. Dieser verfluchte Bastard!
„Oder hast du dir etwa etwas für zwischendurch gesucht?“
Ich schüttelte den Kopf und kniff die Augen mit aller Kraft zusammen, als die Hand, die vorhin noch meinen Arm entlang gestrichen hatte, nun mit lockenden Berührungen meine Seite streichelte und mir das Gefühl gab, als würde der Stoff meines Shirts auf meiner Haut brennen.
Wegschieben, pah! Im Moment war es schwierig genug, ihm nicht einfach in die Arme zu fallen. Er hatte eben doch Recht: Ich war ausgehungert. Ich hätte in letzter Zeit öfter Hand anlegen sollen.
„Du willst ja wohl nicht behaupten, du bräuchtest keinen Sex, oder?“
„Ich würde … eine schöne T…“ Nicht auf die Finger achten, die gerade über meine Brust fuhren und wie zufällig den Stoff über meinen Brustwarzen berührten. „… Tasse Tee bevorzugen.“
Rubin hielt inne und lehnte sich nach einem Moment leicht gegen mich. Ich konnte es nicht hören, aber dafür fühlen, wie er lachte.
„Interessant, dass du Boy George zitierst“, sagte er und schien dabei jedes einzelne Wort zu genießen, „vor allem, weil wir wohl beide wissen, dass das nicht nur die Lüge des Jahrhunderts, sondern gleichzeitig auch eine Ausrede war, um nicht über seine sexuelle Orientierung sprechen zu müssen.“
„Bei mir nicht.“
Über meine sexuelle Orientierung gab es nichts zu sagen. Nichts, das ihn etwas anginge, zumindest.
Ich spürte, wie sich seine Lippen zu einem Grinsen verzogen. „Natürlich nicht.“
Egal, was er dachte, und egal, wie es im Augenblick Aussehen mochte, es war die Wahrheit: Ich machte mir nicht viel aus Sex. Es war angenehm, ja, es fühlte sich gut an, aber die körperliche Befriedigung konnte ich mir zu neunzig Prozent auch alleine beschaffen. Die restlichen zehn Prozent waren der Teil, der von der Anwesenheit der anderen ausgefüllt wurde, und meistens konnte ich ganz gut ohne. Ich bevorzugte es sogar alleine, weil es einfach unkomplizierter war – dennoch, alle paar Monate war es trotzdem angenehm, jemanden dabei bei sich zu haben. Einen weiblichen Jemand, versteht sich; Jungs fasste ich nicht an. Und bis eben hatte ich mich auch nicht anfassen lassen.
Mädchen waren ja auch einfacher aufzutreiben – auch wenn es mich nervte, dass sie immer so tun mussten, als ob sie einem einen riesigen Gefallen damit taten.
‚Du darfst mit mir schlafen‘, so kam es mir bei ihnen vor.
Ja, danke auch. Ich fühl mich geehrt.
Plötzlich leckte Rubin über meinen Nackenwirbel und ich hatte meine Stimme kurzzeitig nicht mehr unter Kontrolle. Noch nie hatte sich etwas so gut angefühlt.
Ich ließ die Klinke aus Angst, die Tür aufzuziehen, los und stütze mich mit beiden Händen ab. Im ersten Moment war das lackierte Holz wundervoll kühl, aber schon nach wenigen Augenblicken passte es sich mir an.
„Ich betrüge nicht“, presste ich hervor, fast verzweifelt um Beherrschung ringend, obwohl alles in mir ihn anschrie, er solle ja, ja nicht damit aufhören.
Notgeil, ja. Ich war definitiv notgeil. Und nicht so willensstark, wie ich dachte. Scheiße, verfluchte!
Rubin hörte nicht auf, sondern unterbrach sich nur zeitweilig um zu antworten. Wahrscheinlich hätte ich mich auch nicht beschwert, wenn er einfach nicht mehr geantwortet hätte. Je schneller er aufhörte zu sprechen, desto schneller konnte ich aufhören, zu denken. Und ich wollte wirklich nicht mehr nachdenken, vor allem nicht darüber, dass ich längst etwas hätte tun sollen. Und noch weniger darüber, was es bedeutete, dass ich immer noch einfach dastand und seine Berührungen … nun, nicht genoss, nein, aber …
… dass ich seinen Berührungen nichts entgegenzusetzen hatte. Da, bitte, das hörte sich nicht ganz so fatal an.
„Weil es schlecht für dein Image als Sonnenscheinchen wäre, wenn es herauskommt?“ Zähne. Zähne. „Keine Angst, ich verrate es niemandem.“ Und Zunge.
Einige Herzschläge lang suchte ich nach etwas anderem, das ich noch sagen konnte, irgendetwas, auch wenn ich gleichzeitig hoffte, nichts mehr zu finden. Und gerade, als mir noch eine Kleinigkeit einfiel, sprach er weiter.
„Außerdem kannst du niemanden betrügen, wenn keine Gefühle im Spiel sind. Oder stehst du etwa auf mich?“
„Nein!“
„Dann sieh das hier doch einfach als gegenseitiges Masturbieren. Und masturbieren wirst du ja auch dürfen, wenn du eine Freundin hast.“
Ich war mir ziemlich sicher – zu geschätzten siebzig Prozent – dass mit die Argumentation nicht schlüssig war, aber ich konnte mich nicht dazu aufraffen, nach dem Fehler zu suchen. Mittlerweile lagen seine beiden Hände wieder auf meinem Becken und einer der Daumen strich fast verträumt über die Haut unter dem Hosenbund. Wann er da hineingekommen war, konnte ich nicht sagen, aber es machte mich fast wahnsinnig.
Dann verschwand der Daumen und ich wollte schon protestieren – nein, eigentlich wollte ich nicht, aber ich wusste, dass ich es tun würde – als ich merkte, wie nun beide Hände mit sanftem Druck meine Oberschenkel hinunter fuhren.
„… Megan!“, rief ich, mein letztes Argument nutzend und gleichzeitig hoffend, dass er es zerschlagen würde.
Irgendwas hatte er doch gesagt, oder? Von wegen fast-verlobt. Scheiß drauf, wenn die einzigen, die wirklich daran glaubten, ihre Eltern waren. Fast-verlobt war definitiv vergeben.
Seine Hände hielten kurz inne, bevor er sie quälend langsam wieder nach oben zog. „Megan stört das nicht im Geringsten.“ Er wartete einen Moment und verringerte dann den Druck, als wollte er die Hände wegnehmen.
„Ich kann sie anrufen und fragen, wenn du …“
„Nein!“
Irgendetwas in mir schwappte über – oder brach – oder wurde eingerissen – keine Ahnung, welche Metapher am passendsten war, denn meine Kommandozentrale wurde in diesem Moment von einer Erkenntnis beherrscht:
Ich wollte nicht, dass er aufhörte. Vor fünf Minuten hätte er aufhören sollen – oder besser: Er hätte gar nicht erst anfangen sollen, aber jetzt war es zu spät um aufzuhören. Irgendwo in mir drin hatte ich akzeptiert, dass es heute passierte, und sogar, dass es mit Rubin passierte – und jetzt, wo ich mich damit abgefunden hatte, sollte es auch passieren, verdammt noch mal! Das einzige, was schlimmer war, als bei – und wegen – Rubin die Kontrolle zu verlieren, war, bei – und wegen – Rubin die Kontrolle zu verlieren, bevor er einfach abbrach. Das wäre mehr als erniedrigend gewesen.
Er ließ, mit einem letzten Biss, der mich fast in die Knie zwang, von meinem Nacken ab und nahm mein Ohrläppchen zwischen die Lippen.
„Was soll ich dann tun?“
„Ich …“ Weiter kam ich nicht, ob aus Luftmangel oder plötzlich auftretender Scheu konnte ich nicht sagen. Wahrscheinlich von beidem etwas, denn Fakt war, dass ich bis jetzt noch nichts aktiv getan hatte. Bis jetzt konnte ich es im Notfall noch abstreiten.
„Was, Vyvyan?“ Ich schluckte; seine Hände waren wieder an ihrem Ausgangspunkt angekommen, lagen ruhig da, nur ein paar Zentimeter entfernt und berührten mich dennoch nicht – oder nicht dort, wo ich wollte. „Du musst es aussprechen, sonst weiß ich nicht, ob du es wirklich willst.“
Eine Hand hob sich und wenige Sekunden später fuhr der Zeigefinger am Reisverschluss meiner Jeans entlang nach oben. Ich keuchte.
„Rubin …!“
Ein Ruck ging durch seinen Körper und er drängte sich näher an mich heran.
„Das muss reichen.“
Zum ersten Mal konnte ich mir sicher sein, dass er nicht im nächsten Moment von mir wegtreten und mich mit einem Lächeln verspotten würde – obwohl ich zugeben muss, dass mir dieser Gedanke bis zu dem Augenblick, indem ich von seiner Unmöglichkeit überzeugt wurde, nicht gekommen war. Wahrscheinlich verdankte ich das irgendeinem Selbstschutzmechanismus. Mir wurde jedenfalls bewusst, dass ich es nicht gebraucht hätte. Nicht nur konnte ich seine Erregung, verdammt unmissverständlich, an meinem Oberschenkel spüren, nein, sondern auch seine Stimme zeugte davon – fast noch deutlicher als sein Körper. Früher hatte ich mich immer darüber aufgeregt, dass anscheinend jeder dachte, erotisch zu klingen, wenn er nur möglichst tief und rauchig sprach – ganz ehrlich, bei den meisten Mädels hörte sich das einfach nur lächerlich an – und der Großteil von denen, die es drauf hatten, war vollschlank und über vierzig. Wie gesagt, früher war ich dieser Meinung gewesen. Früher, nämlich genau bis zu dem Zeitpunkt, als Rubin sich an mich drückte.
Rubins Stimme wurde aber auch nicht rauchig oder dunkel oder heiser. Nein, sie wurde melodisch. Ein klein wenig gehetzt klang sie, und warm, lebendig. Ganz anders als sonst. Meine Fingerkuppen kratzen über die Tür, als endlich Leben in seine Hände kam und er ohne viel Aufhebens, aber mit Startschwierigkeiten, meine Hose öffnete und seine Hand darin verschwinden ließ. Ich versuchte, meinen Verstand beisammen zu halten, und wunderte mich für den Bruchteil einer Sekunde über seine Zielstrebigkeit – wie oft hatte er das schon gemacht? – aber dann traf seine Haut auf meine und alle Versuche wurden sinnlos.
Meine Arme knickten ein und ich hätte das Gleichgewicht verloren, hätte Rubin nicht seinen freien Arm um mich geschlungen und mich in derselben Bewegung umgedreht und mit dem Rücken gegen die Tür gedrängt. Die Luft, die ich einzog, als mich sein Blick traf – so, so voll – voll von Emotionen, wenn auch nicht gerade romantischen – stieß fast schmerzhaft in meine Lungen und mir wurde bewusst, dass ich schon länger den Atem angehalten haben musste. Nun, da ich mich darauf konzentrierte, diesen Fehler nicht noch einmal zu tun, wurde der Halt, den mir meine Füße gaben, auch wieder fester und ich konnte mich ein wenig nach oben schieben, konnte die Knie durchdrücken und wieder aus eigener Kraft stehen.
Meine Laute hörte ich nicht, oder genauer: Ich hörte gar nichts, kein Keuchen, kein Murmeln, kein verdammtes Rascheln des Jeansstoffes, als der an meinen Beinen entlang Richtung Boden glitt. Nichts. Aber ich fühlte meine Kehle an Rubins Lippen vibrieren und ließ meinen Kopf nach hinten fallen. Egal, was er gerade machte, er durfte nicht damit aufhören.
Eins war klar: So fühlte sich normales Masturbieren nicht an.
Die Augen geschlossen, den Mund geöffnet, da ich durch die Nase schon nicht mehr genügen Sauerstoff bekam, bestand meine Welt aus Gelb – leuchtgelb wie Zitronen in Zitronengras, honiggelb wie das Blond von Rubins Haaren, die mir Hals und Schultern kitzelten – aus warm und kalt – warm war, was er berührte, kalt alles andere – und aus all den Empfindungen, die überall auf meinem Körper geboren wurden und sich in seiner Mitte zusammenzogen.
Ich hob meine Arme, krallte mich in seine Schultern und zwang mich gleich im nächsten Moment dazu, die Finger meiner rechten Hand wieder zu entspannen und sie in seinen Nacken, in seine Haare fahren zu lassen. Ich war fast ein wenig überrascht, als er seinen Kopf ohne Widerstand zu meiner Halsbeuge dirigieren und mich dort gleich seine Zähne spüren ließ. Ich mochte seine Zähne, vor allem auf meiner Haut.
„Vyvyan …“
Mein Name, in diesem schrecklichen Amerikanisch ausgesprochen, bewirkte, dass sich irgendwo in mir ein Schalter umlegte – und plötzlich war es mir nicht mehr genug, mich von ihm berühren zu lassen, plötzlich wollte ich ihn spüren, wollte wissen, wie er sich anfühlte, sein Körper, seine Haut, er. Ich mochte ihn immer noch nicht, das hatte ich nicht vergessen, aber wenn ich das hier schon geschehen ließ, dann wollte ich mich nicht zurückhalten müssen – viel bringen würde es doch sowieso nichts.
Nur dieses eine Mal. Genau.
Deshalb zog ich ihn so plötzlich an mich, dass er erschrocken aufkeuchte und schon protestieren wollte, als ich seine Hand davon abhielt, erneut in meiner Unterwäsche zu verschwinden. Aber das konnte sie nachher wieder. Gleich, nicht jetzt. Jetzt wollte ich ihn, nicht seine Hand. Also löste ich auch meine Linke von seiner Schultern und legte sie in sein Kreuz, entschied mich dann um und fuhr in seine Hose, die glücklicherweise lose genug saß, so dass meine Hand mit hineinpasste. Einen Moment lang bohrten sich seine Zähne schmerzhaft in meinen Hals, dann zog ich auch seinen Unterleib an meinen und drückte mich ihm gleichzeitig entgegen.
Diesmal konnte ich mich – oder war es er? – hören. Und endlich erwachte auch Rubin wieder aus seiner momentanen Passivität und presste sich nun von selbst gegen mich, rieb sich an mir und kümmerte sich dabei um die wunde Stelle an meinem Hals. Meine Hand blieb trotzdem in seiner Hose und griff bestimmt in seine Backen – und von einer Sekunde auf die andere wurde mir klar, dass ich Gefallen an seinem Arsch gefunden hatte, und nur Zeus wusste warum. Zweifellos fühlte er sich gut an – nicht trainiert, aber dennoch fest – aber so hatten sich auch schon andere angefühlt – oder zumindest so ähnlich; etwas war diesmal anders, denn ich hatte noch nie so darauf reagiert, so stark, dass ich ihn schließlich ein wenig von mir weg schob, nur um seine Hose aufmachen zu können – oder es zu versuchen, denn mit nur einer Hand – die andere wollte ich nicht von dort wegnehmen, wo sie war – war das gar nicht so einfach, vor allem, wenn die freie Hand die rechte war – und man selbst, wie ich, Linkshändler.
„Scheiß Hose“, murmelte ich und spürte Rubins Grinsen, mittlerweile wieder an meinem Ohr.
„Hast Recht“, antwortete er und schob meine Hand weg, um nun selbst Knopf und Reißverschluss zu öffnen, „die Hose ist scheiße. Viel zu kompliziert.“
„Warum hast du sie dann angezogen?“ Endlich hatte ich mehr Spielraum – und bekam gleich noch viel mehr, denn Rubin schob sich die Jeans von den Hüften und stieg gleich ganz raus.
„Weil mein Arsch gut darin aussieht.“
Meine beiden Hände krallten sich wieder in seinen Hintern, wenn auch immer noch nur durch die Unterwäsche – Retros! Wenigstens bewies er damit Geschmack – und ich drückte ihn wieder an mich. Es war ein unglaubliches Gefühl, ihn nur durch den dünnen Stoff hindurch an mir zu spüren, sein Zitronengrasshampoo zu riechen, zu hören, wie er erregt nach Luft schnappte, wenn ich mich an ihm bewegte, und in den Momenten, in denen sein Gesicht weit genug von meinem entfernt war, zu sehen, wie er die Kontrolle über seine Gesichtszüge immer mehr verlor.
„Und darauf achtest du, wenn du einem Mitschüler Nachhilfe gibst?“
Ich konnte wieder reden. Jetzt, da ich es nicht mehr brauchen konnte, kamen die Worte wieder flüssig und in der richtigen Reihenfolge – sie klangen zwar hektisch und aus der Puste, aber das war auch schon alles. Es war, als ob die Gewissheit, dass das nicht nur auf mich seine Auswirkungen hatte, und der Entschluss, es geschehen zu lassen, mir das nötige Selbstbewusstsein wiedergegeben hatte.
„Scheint so.“
Da ich meine Frage nicht ernst gemeint hatte, war ich über seinen Tonfall überrascht. Unkonzentriert, aber nicht scherzend. Aber gut, das war vielleicht auch nicht der beste Augenblick für unwichtige Sticheleien. Trotzdem hatte mich seine Reaktion neugierig gemach und ich beschloss, noch einen Versuch zu machen, um zu sehen, ob er diesmal darauf einsteigen würde.
„Gib’s zu“, begann ich, merkte aber, wie belegt meine Stimme war und räusperte mich vor dem Weitersprechen erst noch, „du hast das hier geplant – deshalb die Hose.“
Rubin hielt tatsächlich inne und biss dann noch einmal, langsam, genüsslich, in mein Ohrläppchen, bevor er sein Gesicht mir zuwandte. Als unsere Blicke sich trafen, blieben bei mir mehre Sachen stehen. Ich hätte mir nie gedacht, dass sein Gesicht so viele Emotionen zeigen könnte. Allen voran stand aber Verlangen in jeder einzelnen Wimper, die einmal mehr wie Schneeflocken über seinen Augen tanzten. Und dann grinste er.
„Ich war noch nie sehr spontan.“
Wie hatte ich jemals denken können, seine Grübchen würden nicht zu ihm passen? Sie waren perfekt, wie für ihn gemacht.
Er fuhr über meine Seiten, traf auf meine Haut und hakte die Daumen in meine schwarzen Unterhosen, um sie endgültig herunterzuziehen. Aber nur bis zu den Knien, dann war seine Geduld offenbar aufgebraucht und seine Hände kamen wieder hoch. Eine legte er auf meine Hüfte, während die andere in meine Haare griff und meinen Kopf ein bisschen nach hinten zog. Dabei rieb er wie zufällig über meinen Nackenwirbel und ich konnte in seinen Augen sehen, wie sehr er es genoss, mich erschaudern zu lassen. Anscheinend hatte er Gefallen daran gefunden, mein Gesicht dabei zu beobachten, denn sein Blick wurde intensiver, das Grinsen zu einem Lächeln und seine Hand fuhr – endlich! – in meinen Schritt.
Ich stöhnte. Oder ächzte, so genau kriegte ich das nicht mit. Eigentlich hatte ich den Blickkontakt halten wollen, trotz der Hand in meinem Nacken, die meinen Kopf fixierte, aber ich gab es schnell auf und schloss die Lider. Es gab Situationen, in denen man seine Augen einfach nicht offen halten konnte. Und dennoch fand ich es schade und öffnete sie so schnell wie möglich wieder.
Denn ich wollte ihn sehen. Wollte sehen, wie sehr es ihn erregte, mich zu berühren; mich zu hören; mich erregt zu sehen. Immerhin war es Rubin – derselbe Rubin, der sonst immer so undurchsichtig und beherrscht war. Ich musste nicht darüber nachdenken, um zu wissen, dass er mir so, wie er in genau diesem Moment war, viel besser gefiel – nichtsdestoweniger war mir die Gewissheit, dass er sich in der Klasse niemals so zeigen würde, ganz recht. Es gab Dinge, die musste nicht jeder wissen.
Ich wollte noch mehr davon und so schob ich ohne weiter darüber nachzudenken Rubins Unterwäsche über seinen Hintern. Und ich fand heraus: Sein Arsch war ohne noch geiler als mit.
Genüsslich griff ich mit beiden Händen hinein, bevor ich schließlich meine Linke nach vorne wandern ließ.
Es war … seltsam. Vertraut und doch anders. Vertraut, weil es ja nicht das erste Mal war, dass ich einen Ständer in der Hand hielt; anders, weil es sehr wohl noch nie vorgekommen war, dass dieser Ständer nicht mir gehörte.
Was es nicht tat, war, sich falsch anfühlen. Sicher, es war ungewohnt, aber dennoch kamen mir noch nicht einmal in diesem Moment Skrupel, weil ich gerade an etwas rieb, das eigentlich nicht da sein sollte – etwas, das bei meiner Freundin nicht da gewesen wäre. Es war vielleicht falsch, aber es war auch aufregend und gut und verdammt heiß – und an Fee dachte ich schon lange nicht mehr.
Rubins Bewegungen waren fahriger geworden, und er hatte von meinem Hals abgelassen, hatte dafür die Stirn auf meine Schulter gelegt. Sein Atem schlug stoßweise auf meine Haut und das machte mich mehr an, als es seine Stimme schon tat. Im Nachhinein war ich später froh darüber, dass meine Familie ausgeflogen war, denn wirklich leise waren wir nicht und vielleicht hätte ihre Anwesenheit daran nichts geändert, denn für mich existierten nur noch er, die Tür hinter mir und ich.
Ich konnte fühlen, dass es bei mir nicht mehr viel brauchte und versuchte, Rubin ein wenig weg zu schieben ohne meine Hände von ihm zu nehmen, doch er ließ mich nicht.
„Rubin, ich …“ Ich brach ab, mir sicher, dass er verstand, worauf ich hinaus wollte; das tat er, aber was auch immer ich gedacht hatte, dass er machen würde – vielleicht sich entfernen, weil Sperma schließlich ‚irgendwie eklig‘ war, wie meine letzte Freundin es ausgedrückt hatte – er tat es nicht. Im Gegenteil, sein Griff wurde ein wenig fester, die Bewegungen schneller und er drückte seinen Mund gegen meinen Hals. Es reichte nicht zu einem Kuss, aber ich sah die Intention dahinter.
Und dann riss ich die Augen auf und sah gar nichts mehr.
Ich hatte ihn wieder an mich gepresst, aber diesmal, ohne mir dessen bewusst zu sein. Als ich wieder zu mir kam, war das erste, das ich wahrnahm, dass er immer noch hart und heiß in meiner Linken lag – und wenn ich eines von meinen Eltern gelernt hatte, dann, dass man andere so behandeln soll, wie sie einen selbst behandeln – und das hieß in diesem Fall, dass ich ihm noch eine Kleinigkeit schuldig war. Also entspannte ich die Finger meiner rechten Hand, schob sie hoch zu seiner Brust und erreichte so nun doch, dass wir ein wenig Abstand bekamen – nicht viel, gerade genug, dass ich meine Hand ungehindert bewegen konnte – und machte da weiter, wo ich Augenblicke zuvor ohne es zu merken aufgehört hatte. Nur waren meine Bewegungen diesmal gezielter und ich hielt ihn lange genug auf Abstand, dass er nicht mehr seine Stirn auf meine Schulter, sondern eine seiner Hände auf die Tür hinter mir stützte. Das war mir nur recht, denn ich wollte ihn immer noch sehen. Wollte ihn hören, schmecken und fühlen, aber vor allem sehen. Mein Kopf fühlte sich seltsam geklärt an, so völlig nüchtern, und ich wollte es ausnutzen um zu genießen, was ich bis jetzt verpasst hatte. Und was ich ab gleich wieder verpassen würde.
Eigentlich hatte ich vorgehabt, seinem Hals mindestens genauso viele Knutschflecke zu verpassen wie er es bei mir wahrscheinlich schon getan hatte, aber ich konnte mich nicht dazu überwinden, mein Gesicht länger als für einen kleinen Probebiss in seiner Halsbeuge zu vergraben. Nicht, dass er nicht gut geschmeckt hätte – scheiße, nein! – aber es erschien mir zu schade, auch nur eine Sekunde seines Mienenspiels zu verpassen. Schmecken tat er sicher immer gleich, aber so sah er sonst nie aus. So verletzlich. Offen. Hingegeben.
Er war schön.
Ich weiß, dass sich das verdammt kitschig anhört, aber es ist die Wahrheit. Rubin war schön und ich fragte mich, warum mir das vorher noch nie aufgefallen war. Ich hätte es sehen müssen, durch die Maske der Gleichgültigkeit hindurch, schließlich war ich doch so stolz darauf, die Leute um mich herum korrekt analysieren zu können.
Und als er kam – durch meine Hand, in meiner Hand, mit meinem Namen auf den Lippen – wusste ich, dass mehr wollte; mehr Laute, mehr Bisse, mehr Gesichtsausdrücke, einfach nur mehr.
Ich wusste, dass er in diesem einen, kleinen Moment ganz mir gehört hatte und ich wusste, dass ich das wiederholen wollte. Ein Moment war nicht genug – Momente existieren schließlich nur, um an andere angereiht zu werden, und genau das wollte ich; viele dieser Momente, in denen seine Gedanken von mir erfüllt waren, in denen er meinen Namen schrie und vor allem, in denen er wegen mir die Kontrolle verlor, aneinanderzureihen.
Natürlich hieß das nicht, dass ich es auch zulassen würde. Vor allem nicht, nachdem mein Hirn sich Zelle für Zelle wieder einschaltete und mir klar wurde, was ich gerade getan hatte. Und mit wem.
*********
„Es ist ja nicht so, als ob er sich gewehrt hätte. Im Gegenteil.“
„Von ‚es langsam angehen lassen’ hast du auch noch nichts gehört, oder?“ Sie seufzte. „Really now, hättest du dich nicht etwas zusammenreißen können?“
„Ich habe mich zusammengerissen – den ganzen ersten Teil der Nachhilfe lang, während wir keine zwei Meter von seinem Bett entfernt saßen, ganz allein. Und sogar, als er diesen verdammten Lolli ausgepackt hat; du hast keine Ahnung, wie viel Selbstdisziplin dafür nötig war.“ Ich zuckte mit den Schultern. „Immerhin hätte sich jetzt die Frage geklärt, ob er wirklich an Jungs interessiert oder einfach nur auf Kims Rückenmuskulatur neidisch ist.“
„Hast du danach wenigstens versucht mit ihm zu reden?“
„Für wie blöd hältst du mich?“
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