Der nächste Morgen verlief ruhig. Leider angespannt-ruhig und nicht
harmonisch-ruhig. Unsere Stimmen klangen freundlich, die Worte wurden
sorgfältig gewählt, die dazugehörenden Lächeln erschienen gezwungen und
berühren taten wir uns nicht mehr, nachdem wir aufgestanden waren. Irgendwie
scheiße, aber ändern konnte ich es nicht – also doch, wahrscheinlich
hätte ich etwas ändern können, aber was und wie, das wusste ich nicht. Die
Distanz ging nicht nur – vielleicht sogar nicht hauptsächlich – von
mir aus und sie … blockierte mich. Zusätzlich. Sie blockierte mich zusätzlich.
Ich hatte ja sowieso schon Probleme damit, auf ihn zuzugehen, weil er
eben … männlich war. Und meine Welt durcheinanderbrachte und ich
immer noch nicht sicher war, ob ich meine Welt durcheinandergebracht bekommen
wollte. Ein Teil von mir hing an meiner alten Welt, der andere wollte die neue
Welt genießen, die Rubin mir eröffnete. Es brauchte schon Überwindung,
aufzutauen, wenn er dafür empfänglich war, aber so … mal ehrlich: Auf
Leute zuzugehen, die auf Distanz gingen, das war nicht meine Stärke.
Meine Stärke war, Leute dazu zu bringen, gar nicht erst auf Distanz zu gehen,
aber wenn sie es einmal taten … dann tat ich mich schwer, sogar in
der Schule. Und während ich dort wenigstens noch einen Notfallplan hatte und
mich einfach zwang, weiter freundlich zu sein und mich weder vertreiben zu
lassen noch aufdringlich zu werden, wusste ich in dieser Situation hier nicht,
was angebracht war. Oder treffender formuliert: Was das beste Resultat
erzielte. Hingehen und ihn einfach umarmen oder ihm einen Kuss auf den Hals
geben, so wie er es oft genug bei mir tat, das … das konnte ich
nicht. Konnte nicht, war nicht in der Lage, meinen Körper dazu zu
bringen, und wusste dabei noch nicht einmal, ob ich es überhaupt wollte.
blaukaetzchen
Leseratte und Hobbyautor
Update-Info
07.01.2015: Ich wünsche allen ein (verspätetes) frohes neues Jahr! :)
Bei uns hat das Jahr leider mit einer Krebsdiagnose begonnen. Nicht meine, aber dennoch werden die Kapitel in absehbarer Zeit nur sehr unregelmäßig erscheinen.
Bei uns hat das Jahr leider mit einer Krebsdiagnose begonnen. Nicht meine, aber dennoch werden die Kapitel in absehbarer Zeit nur sehr unregelmäßig erscheinen.
Mittwoch, 7. Januar 2015
Sonntag, 21. Dezember 2014
Von Edelsteinen und Papierengländern 30:
Mir fror langsam aber sicher alles ab, auch die Dinge, von denen ich nicht
einmal gewusst hatte, dass sie abfrieren konnten. Doch das war nicht der Grund,
warum ich mich schließlich bewegte. Nein, der Grund lag irgendwo zwischen
Rubins Fingerspitzen auf meiner Wange und meiner Erschöpfung. Und das war ich,
erschöpft. Nicht plötzlich, aber so richtig. Und der Drang, endlich Klarheit zu
schaffen, dimmte, als die Angst in seinem Blick zu mir durchdrang. Einerseits
machte mir das nur noch deutlicher, dass wir reden mussten, und das dringend;
andererseits konnte ich nicht nicht auf die Angst Rücksicht nehmen,
konnte mich nicht gegen den Drang wehren, sie ihm nehmen zu wollen. Wusste,
dass ich das nicht vollkommen tun konnte, und hasste mich irgendwo tief drinnen
für dieses Unvermögen.
Das Lächeln, das ich auf mein Gesicht zwingen wollte, wehrte sich
hartnäckig und blieb schließlich im rechten Mundwinkel hängen.
„Echt scheiße kalt hier“, brachte ich irgendwie hervor und sah
Erleichterung und noch etwas, das ich nicht erkannte, über sein Gesicht
einbrechen.
Mittwoch, 10. Dezember 2014
Von Edelsteinen und Papierengländern 29:
Die Busfahrt zurück verlief in Schweigen. Rubin hatte sich entschuldigt,
wofür genau – ob für Lukas’ blöde Anspielungen, dafür, dass er sich
eine ganze Weile mit ihm unterhalten hatte oder für Lukas’ Existenz im
Allgemeinen – wusste ich nicht. Wenn er schlau war, dann war es
Letzteres, aber eigentlich war es auch egal. Dass sich die beiden mit Küsschen-Küsschen
verabschiedeten, war auch egal. Wirklich. Auch, dass es eher nach einem Kuss
statt zwei Küsschen ausgesehen hatte. War mir doch latte.
Was mich sehr wohl interessierte war, ob Rubin Lukas von … was
auch immer zwischen uns war erzählt hatte oder ob es ein Schuss ins Blaue von
Lukas’ Seite aus gewesen war … oder …
Oder.
Ob man es uns ansah.
Mittwoch, 3. Dezember 2014
Von Edelsteinen und Papierengländern 28:
‚Können wir diese Arrangements nicht auflösen? Können wir nicht einfach
kuscheln, weil es schön ist?‘
Das war jetzt nicht sein Ernst. Dieser – er wollte mit meine Ausreden
nehmen! Jetzt, wo ich mich halbwegs damit abgefunden hatte, jetzt, wo ich es
halbwegs akzeptieren konnte – dank der Ausreden – jetzt
wollte er sie mir wegnehmen! Das konnte er doch nicht tun – das war unfair,
verdammt! Und sowieso, das hörte sich ja alles ganz toll hochtrabend an, aber
die Realität sah nun einmal anders aus.
Ja, genau! Die Realität, die kam mir endlich mal zu Hilfe. Ansonsten
war sie ja eher gegen mich – mit der sexuellen Orientierung und der
Wanderlust meiner Eltern – aber heute, endlich, stellte sie sich auf
meine Seite! Besser spät als nie, Bitch!
„Aber du bekommst eine Empfehlung dafür, dass du mir Nachhilfe
gibst“, gab ich zu bedenken und war recht stolz auf mich, dass meine Stimme
dabei gefasst und normal wirkte. Schon interessant, auf was für Dinge ich
plötzlich stolz war – vor allem, da ich sonst meine Stimme so gut wie
immer im Griff hatte. Keine Ahnung, wie meine ganze erarbeitete Persona bei ihm
so schnell den Bach runter gegangen war.
Rubin verzog das Gesicht zu etwas, das wohl ein Lächeln darstellen sollte,
aber nie ganz eins wurde. „Vyvyan“, begann er, stockte, presste kurz die
Lippen aufeinander und redete dann doch weiter, „ich habe meine Bewerbungen
längst abgeschickt.“
Mittwoch, 26. November 2014
Von Edelsteinen und Papierengländern 27:
Rubin lag still da, die Augen geschlossen, den Kopf auf die Decke gelegt.
Und harrte der Dinge, die da kamen. Die ich da tun würde. Ich konnte gar nicht
in Worte fassen, wie sehr mich das anmachte. Einfach nur die Tatsache, dass er
sich mir anbot, dass er sich mir hingab, und dass ich sehen konnte, wie er sich
beherrschen musste. Das leichte Zittern, das seinen Körper erfasste, als mein
Atem seine Lenden streifte. Die Hitze, die sein Körper verströmte. Sein Geruch.
Weniger Zitronengras hier unten und mehr … Rubin.
Ich drückte meine Lippen auf die Stelle, die eben noch von meinem Atem
gewärmt worden war, und spürte, wie er sich unter mir anspannte. Es war nicht
so, dass ich ihn auf die Folter spannen wollte oder dass ich mir nicht sicher
war; vielmehr wollte ich diesen Moment auskosten, die Erwartung, das Kribbeln,
das über meinen Rücken und bis in meine Zehenspitzen lief, ja, sogar die Angst,
es falsch zu machen. Das alles war neu und aufregend und ich wusste, dass es
nie wieder so sein würde. Es würde nie wieder das erste Mal sein.
Mittwoch, 19. November 2014
Von Edelsteinen und Papierengländern 26:
Während wir so auf Betsy lagen und kuschelten, wurde ich nach und nach von
einer seltsamen, lähmenden Unruhe erfasst, die ich mir nicht ganz erklären
konnte. Ich wollte liegen bleiben und aufstehen, die Lider schließen und ihn
nicht aus den Augen lassen, damit ich keine mögliche Bewegung verpasste. Ich
wollte näher an ihn heranrutschen und ihn von mir schieben. Als er eine Hand
unter seinem Schopf hervorzog und den Arm um meine Schulter legte, wurde das
Gefühl, etwas tun zu müssen, so stark, dass ich glaubte jeden Moment platzen zu
müssen. Es kribbelte und zwickte und machte es mir unmöglich, an irgendetwas
anderes zu denken. Und dann löste sich meine Starre. Nicht komplett, aber
zumindest in meiner Hand und ich begann, seinen Bauch zu erkunden. Ich fing klein
an, spreizte erst nur die Finger, und ballte sie danach in Zeitlupe zur Faust,
kratze dabei leicht über seine Haut, und das half, das seltsam drängende
Kribbeln loszuwerden. Oder nein, nicht loszuwerden, aber umzuleiten. Erst war
ich mir nicht sicher, aber als ich begann, meine flache Hand auf ihm zu bewegen
und mir die Form seines Körpers allein durch Berührung einzuprägen, wurde es
deutlich: Je mehr Freiheit ich meiner Hand gab, desto angenehmer wurde es für
mich. Aus tausend Nadelstichen in meinem Innern wurde Champagnerprickeln.
Rubins Bauchmuskeln zuckten unter mir und sein Atem beschleunigte sich mit
jedem Millimeter, den ich mich bewegte. Als ich schließlich, nach einem
gemächlichen Umweg über seine Brust, seinen Bauchnabel ertastete, keuchte er auf
und flüsterte:
„Mediumkuscheln?“
Donnerstag, 13. November 2014
Von Edelsteinen und Papierengländern 25:
Diesmal konnte ich um einiges länger im post-orgasmischen Glücksnebel
verweilen. Und auch, als ich langsam auftauchte, kam keine Panik auf. Hätte sie
vielleicht sollen, wenn man bedachte, dass ich die ganze Zeit über nackt auf
Rubins Schoß gesessen hatte, aber irgendwie – nah, es gab Schlimmeres.
Er würde es schon nicht weitererzählen.
… Alleine die Tatsache, dass ich das dachte, war erschreckend. Und
dennoch war mir das in diesem Moment egal; vielleicht würde ich meine Meinung
ändern, wenn mein Kopf nicht mehr von Zitronengras und Grübchen vernebelt
wurde, vielleicht aber auch nicht. Irgendwann wurde mir aber zumindest klar,
dass ich nackt auf Rubins Schoß saß und immer noch die Arme um
ihn geschlungen hatte.
Und, dass er noch nicht gekommen war. Ups.
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