Update-Info

07.01.2015: Ich wünsche allen ein (verspätetes) frohes neues Jahr! :)

Bei uns hat das Jahr leider mit einer Krebsdiagnose begonnen. Nicht meine, aber dennoch werden die Kapitel in absehbarer Zeit nur sehr unregelmäßig erscheinen.

Freitag, 4. Januar 2013

Mein Liebling 2012:

The Fault in Our Stars, von John Green


"Some infinities are bigger than other infinities."

Ich habe letzes Jahr viele Bücher gelesen. Ich habe auch viele gute Bücher gelesen. Und ein paar sehr gute. Darunter SF-Klassiker wie The Handmaid's Tale von Margaret Atwood (zu Deutsch: Der Report der Magd), High Fantasy wie Eyes Like Leaves von Charles de Lint, Booker-Preis-Anwärter wie Never Let Me Go von Kazuo Ishiguro (Dt: Alles, was wir geben mussten), Gewinner desselben wie The Sense of an Ending von Julian Barnes (Dt: Vom Ende einer Geschichte), Klassiker amerikanischer Literatur wie To Kill A Mockingbird von Harper Lee (Dt: Wer die Nachtigall stört), bewährt-geniale Fantasy wie American Gods von Neil Gaiman (Dt: ebenso) und die A Song of Ice and Fire-Reihe von George R. R. Martin (Dt: Das Lied von Eis und Feuer). Alle diese Bücher kann ich vorbehaltlos empfehlen (deswegen die Links, an denen ich nichts verdiene. Wollte nur anderen das Googeln sparen; natürlich findet man die Bücher auch auf anderen Seiten, sowie (meine liebste Variante) beim Buchhändler eures Vertrauens).

Aber das beste Buch, das ich dieses Jahr das Vergnügen hatte, zu lesen, war eine Neuerscheinung: The Fault in Our Stars von John Green (Dt: Das Schicksal ist ein mieser Verräter).



Ich wollte dieses Buch nicht lesen. Wirklich nicht. Mein Jahr hatte beschissen genug begonnen (hätte es jemand darauf angelegt, hätte es nicht viel beschissener beginnen können) und ich brauchte garantiert kein Buch, das mich runterzog. Nein, ich wollte fremde Welten, eigensinnige Figuren, Dinge, die ich so noch nie zuvor gelesen hatte. Eskapismus war mein Zauberwort.
Was sollte ich da bitte mit einer Liebesgeschichte zwischen zwei krebskranken Kindern? Man muss kein Genie sein, um das traurige Ende vorauszusehen.

Und dennoch. Seine bisherigen Bücher waren zauberhaft.
Ich stieß eigentlich nur auf das Buch, weil ich im Internet für einen Freund nach einer einfachen und auch für Laien verständlichen Erläuterung dafür suchte, dass in der Mathematik manche Unendlichkeiten größer sind als andere (wen es interessiert, kann auf Englisch z. B. hier oder hier schauen oder sich auf Deutsch mit Georg Cantor und seiner Theorie auseinandersetzen – notfalls durch googeln).
Als ich den Vermerk fand, dass Green ein ganzes Buch um das Konzept herum geschrieben hatte, wollte ich es eigentlich nicht lesen, nicht, nachdem ich die Kurzbeschreibung gelesen hatte. Obwohl es von John Green ist. Aber ich konnte gar nicht anders, als es zu kaufen. Weil es von John Green ist.

Ich habe es in einem Tag gelesen. Es war der perfekte Zeitpunkt dafür, weil ich sowieso schon traurig und nostalgisch und wütend war, weil … na ja, weil manche Unendlichkeiten eben größer sind als andere. Und vor allem, weil manche kleiner sind. Kürzer. Aber, wie Augustus sagen würde: "The world is not a wish-granting factory" (frei übersetzt: Die Welt ist keine Wunscherfüllungsfabrik). Er hat Recht. 

Eine Warnung vorweg:
Dieses Buch wird euch zum heulen bringen. Und Leute wie mich bringt es dazu, schrecklich und lange zu heulen.
Vielleicht werdet ihr denken, ihr wüsstet, was passieren wird. Vielleicht tut ihr es auch – vielleicht seid ihr wie ich und wisst es schon nach dem Lesen der Kurzbeschreibung und des Klappentextes, weil die bloße Erwähnung eines Twists genug ist, den Twist zu ruinieren, da ihr Bücher ebenfalls bereits vor dem Lesen überanalysiert – Hermeneutik hin oder her. Aber das ist okay. Lasst mich das ganz deutlich sagen: Ihr werdet trotzdem heulen. (Natürlich gibt es immer Ausnahmen, denn Generalisierungen sind genau das, weil sie eben nicht auf alle zutreffen (sonst wären sie unumstößliche Tatsachen), aber die meisten werden heulen). Nicht weinen, nicht "Tränen vergießen". Heulen.

Kurzbeschreibung (Ohne zu viel verraten zu wollen):

Hazel Grace Lancaster ist sechzehn und wird sterben. Nicht auf die Art, wie die meisten von uns, "früher oder später", sondern früher, Punkt. Sie hat Krebs, kämpft bereits seit sie dreizehn ist dagegen an und weiß, dass sie nie alt genug werden wird, um Enkelkinder zu haben – wahrscheinlich noch nicht einmal alt genug, um Alkohol trinken zu dürfen. Sie wurde vor drei Jahren von der Schule genommen, hat aber ihr Abi gemacht und studiert an der örtlichen Volkshochschule, während sie nebenbei dasselbe Buch immer und immer wieder liest. Sie ist intelligent und voller Sarkasmus, der manchmal in den Zynismus abzurutschen droht, und hat ihr Leben soweit ganz gut im Griff. Denkt sie. Doch dann spaziert eines Tages dieser verboten gutaussehende Junge namens Augustus Walker in ihre Krebshilfegruppe und bringt einen Stein ins Rollen, den Hazel eigentlich eigentlich lieber unbewegt lassen wollte.


Kritiken:

Habe ich bisher nur positive gefunden, egal, ob auf Englisch oder Deutsch. Lest selbst, lasst euch überzeugen.


Persönliche Meinung:

Das sollte jetzt keine große Überraschung sein, aber die ist durch und durch positiv. Ich würde so gerne sagen, dass dieses Buch genial sei, oder großartig, oder unglaublich, aber alle diese Worte scheinen im Vergleich zu leer. Also sage ich es anders:
The Fault in Our Stars hat mich zum Lachen gebracht, zum Kichern, zum Denken und dazu, wütend  und frustriert zu knurren; zum Weinen und zum Heulen, zum Schreien und Naseschnäuzen und Lächeln und Verstehen. Ich war in Schock und gleichzeitig tieftraurig, als ich es beendet hatte, aber dennoch habe ich die Lektüre keine Sekunde bereut und werde es 2013 garantiert noch einmal lesen.

Die ersten zwei Drittel sind so wundervoll süß und unschuldig und zärtlich, und dann kommt der Teil, der die Tränen bringt. Ich musste mich richtig durch die nächsten circa siebzig Seiten kämpfen, habe mehr Taschentücher verbraucht als bei einer ordentlichen Erkältung und gehofft, dass keiner meiner Freunde auf die Idee kommt, mir einen spontanen Besuch abzustatten, denn ich hätte unmöglich erklären können, warum ich nicht aufhören konnte, Rotz und Wasser zu heulen – zumindest nicht, ohne ihnen das Buch zu geben und das ging nicht, denn ich hatte es noch nicht fertig. (Im Nachhinein muss ich mich für diese Gedanken bei meinen Freunden entschuldigen, denn sie sind so wundervoll, dass sie mich wohl dennoch verstanden hätten. Sie kennen schließlich meine Liebe zu Büchern und fiktiven Figuren, auch wenn sie sie nicht alle teilen.)
Ich kämpfte also, weiter und weiter, Seite für Seite, ohne aufhören zu können, weil ich die Figuren nicht im Stich lassen konnte. Und – oh, es war es wert! So wert!
Glaubt mir, die letzten Seiten machen es tausendmal wert!

Die Figuren sind … Himmel, ich kann noch nicht einmal sagen, ob sie wirklich facettenreich oder "rund" sind. Hazel ist das, und da das Buch aus ihrer Perspektive geschrieben wurde (und sie ein sehr glaubwürdiger Teenager ist), werden manche Dinge ausgelassen, manche Personen nicht so stark beleuchtet. Aber es ist eben Hazels Welt, die wir erleben. Sie ist durch und durch sechzehn und durch und durch anders als andere Sechzehnjährige – wie könnte sie auch gleich sein? Sie verbringt ihr halbes Leben damit, dasselbe Buch wieder und wieder zu lesen, oft genug im Krankenbett. Dennoch ist ihre Welt eine sehr plastische, sehr natürliche und lebendige, vielleicht gerade wegen den Auslassungen und dämmrigen Stellen.
Es ist aber, zum Beispiel, schwierig für mich Wörter zu finden, um die Mutter zu beschreiben. Oder den Vater, außer vielleicht "Heulsuse" (nicht negativ gemeint, aber er weint wirklich sehr, sehr viel in dem Buch). Ich kann sie vielleicht nicht in Worte fassen, aber die kleinen Einblicke, die wir bekommen, lassen dennoch auch die Nebenfiguren, wie Isaac, voller Leben erstrahlen.

Die Sprache ist schön. Wenn man das Buch auch aus keinem anderen Grund lesen möchte, dann reicht es aus, es der Sprache wegen zu lesen. Ich kann hier nur für das englische Original sprechen, da ich die Übersetzung nicht gelesen habe, aber das bezirzt auf ganz moderne Weise. Modern deshalb, weil gleich auf einer der ersten Seite ein  “UGGGGGGGGGGGGG” (ich habe die Gs gezählt!) steht, modern auch, weil es mit Verweisen auf Dinge wie V for Vendetta oder America's Next Topmodel nicht geizt, aber diese modernen Schnipsel des digitalen Zeitalters sind meisterhaft verwunden mit eleganter, schöner, intelligenter Prosa. Hazel selbst zeichnet sich durch einen lebhaften linguistischen Mix aus hochgestochenen, schwierigen Wörtern und teenagertypischer Einfachheit aus.

Und ich liebe, liebe die Ehrlichkeit. Ich habe selber im näheren Familien- und Freundeskreis einige Krebspatienten, darunter auch solche, die bereits als Kinder daran erkrankt sind, und ich bin dankbar für das ehrliche, faire Bild, das Green von ihnen zeichnet. Nein, "mutig bis zum Ende kämpfen ohne sich zu beschweren", das tun sie nicht. Sie beschweren sich, sie jammern und heulen, schreien, verzweifeln und fluchen und sie sind selbstsüchtig und manchmal richtiggehend verletzend. Und sie haben jedes gottverdammte Recht, all das zu sein.


Fazit eines wirren Reviews:

Ich kann mich nur wiederholen und dieses Buch ohne irgendwelche Vorbehalte empfehlen. Es gehört zu den Büchern, die man nicht ausreichend beschreiben kann, sondern selbst gelesen haben muss. Aber lest es, wenn ihr alleine seid, vor allem das letzte Drittel. Jagt euren lieben Mitmenschen nicht mit einem verheulten Gesicht den Schreck ihres Lebens ein!

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