Update-Info

07.01.2015: Ich wünsche allen ein (verspätetes) frohes neues Jahr! :)

Bei uns hat das Jahr leider mit einer Krebsdiagnose begonnen. Nicht meine, aber dennoch werden die Kapitel in absehbarer Zeit nur sehr unregelmäßig erscheinen.

Dienstag, 22. Januar 2013

Wieder und wieder 11:


[Super, trotz allem wieder verspätet. In diesem Kapitel ist sowieso der Wurm drin – ich wusste, dass die späteren Kapitel länger sind, aber das hier war echt … American sized. Und es ließ sich auch nicht teilen. Ich hab’s jetzt so gekürzt, wie ich konnte, ohne mir Probleme für später einzuhandeln. Und da Vodafone wieder mitspielt, kann ich es nun auch endlich hochladen, ohne ins nächste Internetcafé rennen zu müssen.]


Neue Versuche. Alte Probleme. Keine Lösung




Zwanzig Minuten nach der vereinbarten Zeit kam Klaus auf mich zugeschlurft. Er trug wie immer die alte, ockerfarbene Jacke seines Opas, die ihm mindestens zwei Nummern zu groß war, und dazu stylische Jeans und Sneakers. Ich hätte mein Abendbrot darauf verwettet, dass Anita für Letztere verantwortlich war.
„Morgen“, brummte er und zog mich in eine kurze aber feste Umarmung – und es war keine dieser ‚Männerumarmungen‘, wo man immer schön die Arme zwischen den Körpern ließ, als ‚Puffer‘, sozusagen, nein; es war eine echte, Hände-auf-dem-Rücken-des-andern und Brustkorb-an-Brustkorb-Umarmung.
„Nachmittag“, antwortete ich und grinste ihn an. „Ta hat nicht übertrieben, du siehst noch höhlenmenschiger aus als sonst.“ Ich zupfte an seinen blonden Zotteln herum und grinste ihn frech an, aber er knurrte nur. Klaus war eben ein kleiner Sonnenschein.
„Sie hat mir zwanzig Euro mitgegeben.“
„Für Bier? Erwartete sie dich betrunken zurück?“
Er warf mir einen ‚Bist du wirklich so naiv?‘-Blick zu, der dank seiner dichten Wimpern und den schokoladenbraunen Augen seine Wirkung verfehlte. Dennoch, in Klaus’ Gesicht passten sie gut und machten es weicher; mein schmaleres, weniger markantes Gesicht hätten solche Wimpern nur feminin aussehen lassen. 
„Sie hat mich um halb eins herbestellt, also ist der Termin um eins. Um zwei sind wir spätestens wieder draußen.“ Er schüttelte den Kopf. „Sie erwartet, dass wir ’nen Kaffee trinken und vielleicht was Kleines essen gehen. Kein Bier.“
„Kein Bier?“, echote ich und sah ihn fragend an.
Er schnalzte mit der Zunge. „Natürlich Bier! Sie ist selbst schuld, wenn sie den Termin mittags macht.“

Wir gingen die wenigen Schritte zum Friseursalon.
„Aber lange kann ich nicht bleiben“, sagte er und musterte die Eingangstür abschätzig.
„Probleme mit dem Programm?“ Ich wusste nicht, welches Programm ich da ansprach, denn Klaus hatte mehrere. Aber wenn es in seinem Leben Probleme gab, dann waren das zu neunundneunzig Prozent Probleme mit einem der Computerprogramme.
Er brummte.
„Was ist denn los?“
„Das ist es ja: Ich weiß es nicht!“ Seine Stimme war um einiges lauter geworden und er brauchte einen Moment, um sich wieder einzukriegen. Dann erklärte er: „Hab gerade den ersten Public Beta rausgeschickt, und ein paar der User haben gemeldet, dass das Ding crashed, wenn man mehrere Filter gleichzeitig einsetzt – aber nicht immer, nicht immer bei der gleichen Anzahl Filter und nicht immer bei der gleichen Kombination. Ganz abgesehen davon: Wieso überhaupt?! Ich kapier’s nicht. Ich such schon seit fast ’ner Woche nach dem Bug, aber da ist nichts!“
„Hört sich nach ’nem Thema für ’n Bierchen oder zwei an“, sagte ich und klopfte ihm auf die Schulter.
„Oder drei.“ Er grinste und rollte dann mit den Augen. „Na los, bringen wir’s hinter uns.“

***

„Siehste? Da macht keinen Sinn!“, knurrte Klaus gerade und leerte sein zweites Bier. Er hatte mir, nachdem er sich von dem Schrecken des Friseurbesuchs und der fast schon intimen Nähe zu vollkommen Fremden, die der mit sich brachte, erholt hatte, noch einmal detailliert erklärt, wo denn das Problem mit seinem Programm lag – oder eben, wo garantiert nicht. Ich hatte vergleichsweise wenig verstanden: Am klarsten waren mir die Begriffe Scheiße, verdammt und bescheuert, aber auch Dinge wie Syntax und Semantik konnte ich eigentlich einordnen, nur nicht, wenn Klaus davon sprach. Irgendwie bekamen Worte eine neue Bedeutung, wenn er sie in Verbindung mit seinem Softwarezeugs benutzte. Aber ich hatte ja auch keine Ahnung von Computern und schon gar keine von Informatik – das war mir einfach zu eng verwandt mit Mathe. Und das mit Statistik.
Sobald ich an Mathe und Statistik dachte, sank meine Laune und mein Magen begann zu rumoren. Ich würde mit ihm reden müssen. Er sagte, dass es nur etwas gemeinsame Zeit war, die er wollte, aber … wenn er und Thomas ehrlich gewesen waren, dann war das letztendlich nicht, was er sich wirklich erhoffte. Ich hatte es heute morgen schon gedacht, aber wegen seiner Nähe nicht über mich gebracht, danach zu handeln – dennoch: Ich durfte ihm keine falschen Hoffnungen machen. Dass ich die Nacht mit ihm verbracht – und, zu allem Übel, es auch noch initiiert – hatte, war schon schlimm genug. Und dann das heute morgen …
Ich seufzte.
„Okay“, brummte Klaus, „was’n los?“
„Wie?“ Leicht verdattert sah ich ihn an, doch er schüttelte nur den Kopf.
„Ich hol uns jetzt noch ein Bier, dann erzählst du mir, warum du wie ein Häufchen Unglück im Stuhl hängst.“ Er stand auf und ignorierte mein „Tu ich doch gar nicht“ gekonnt.

Mein Bier war bereits halb leer, als ich ihm die Situation bis gestern Mittag geschildert hatte.
„Hm.“ Klaus sah mich durch den neuen, bereits verwuschelten Pony an. „Und wo ist das Problem? Du scheinst die Sache doch im Griff zu haben.“ Er hielt inne, zuckte mit den Schultern und hängte dann an: „Für deine Verhältnisse.“
„Danke auch“, erwiderte ich grummelnd und nahm dann einen großen Schluck. Ich öffnete den Mund, suchte nach den passenden Worten, schloss ihn wieder. Scheiße noch mal, ich wusste, dass es falsch gewesen war, ihn in mein Bett zu zerren. Ich hatte keinen Bock, das jetzt auch noch ins Gesicht gesagt zu bekommen.
Aber Klaus war mein Kumpel. Mein bester Freund, auch wenn ich ihn noch seltener sah als Anita. Zum Glück lag das zur Hälfte an ihm, denn wir waren beide gleich in der Hinsicht: E-Mails und Telefonate nur um zu hören, wie es dem anderen ging, an so was dachten wir nicht. Dafür war es egal, wie lange wir uns nicht mehr gesehen hatten, es fühlte sich immer wie gestern an. Und wenn einer ein Problem hatte, konnte er immer zum anderen. Das war bei Anita gleich: Egal, wie viel Scheiße ich baute, sie war für mich da. Aber mit Anita konnte ich hierüber nicht reden; sie würde mich an mein Versprechen erinnern, auszuziehen, sobald sich das mit dem Abhärten als Fehlschlag herausgestellt hatte.
Reden musste ich, mit irgendjemandem. Oder? Man sagte doch, es half.
„Ich hab ihn – also, ich habe mit ihm – wir zusammen im Bett.“ Ja, ich und Rhetorik. Das hatte ich echt drauf.
Klaus’ Augenbrauen hüpften nach oben und er ließ das Bierglas auf halbem Wege in der Luft erstarren.
„Wann?“
„Gestern Nacht.“
„Hm“, machte er, trank einen Schluck und taxierte mich dann mit dem Blick. „War es gut?“
„Ja. Sehr.“
Er grinste breit und ich musste es einfach erwidern. Aber das löste mein Problem nicht.
„Und weiter?“
Ich zuckte mit den Schultern. „Er hat mir Frühstück ans Bett gebracht. Geredet. Gesagt, dass er es nicht bereut, aber eigentlich eine feste Beziehung will, und solange ich das nicht tue, wird er mich nicht mehr anfassen. Aber er will … Zeit mit mir verbringen. Heute Abend zusammen weggehen. Und ich muss ihm sagen, dass sich nichts geändert hat und sich nichts ändern wird, aber jedes Mal, wenn er mir nahe kommt, wird mein Gehirn Matsch.“
„Und Anita würde dich zu uns verfrachten, wenn sie das erführe.“
„Genau.“
„Warum stellst du ihn ihr nicht mal vor? Er scheint ja echt in Ordnung zu sein. Vielleicht ändert sie dann ihre Meinung.“
„Und wenn nicht, und sie live miterlebt, wie mein Hirn Matsch wird, verfrachtet sie mich noch am selben Tag zu euch.“ Ich schüttelte den Kopf. „Außerdem ist ihre Menschenkenntnis besser als meine. Und wenn sie wirklich nicht mag, dann …“ … würde das die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ich wirklich ein blinkendes Warnschild übersah, was Mischa anging. Und das wollte ich nicht. Es war wie mit dem Zombie unterm Bett: Solange man nicht nachsah, war die Wahrscheinlichkeit kleiner, dass er überhaupt da war.
Klaus brummte und nahm noch einen Schluck. „Scheiß Situation.“ Dann starrte er auf den Bierdeckel und schwieg eine Weile. Ich tat es ihm nach.
Ja, es war wirklich eine scheiß Situation. Ich wollte Mischa, aber ich wollte mich nicht auf ihn einlassen. Völlig aus dem Weg wollte ich ihm auch nicht.
Schließlich zuckte Klaus mit den Schultern und sah mich wieder an.
„Ich würde sagen, der Kerl ist erwachsen und weiß, was er tut. Du hast ihm gesagt, was Sache ist, und er weiß, dass sich daran nichts geändert hat. Wenn er trotzdem Zeit mit dir verbringen will, ist das sein Ding.“
„Ja, aber … er küsst mich. Hat er zumindest heute morgen getan.“
„Und das stört dich?“
„Nicht direkt, aber …“ Ich verstummte. ‚Er ist nicht der Typ, der leichtfertig küsst‘, das hatte ich sagen wollen, aber woher wollte ich das denn wissen? Ich kannte ihn erst seit gut sechs Wochen und hatte ihn, außer ihm Wawawoom mit dem Spargeltarzan, noch nie in einer Situation erlebt, die zu leichtfertigem Küssen einlud.
Dennoch: Er hatte ‚deine Freunde‘ gesagt, heute Morgen. Und ‚Solange du mit den Bedingungen ein Problem hast, fasse ich dich nicht an‘ bedeutete doch, dass er hoffte, dass sich mein ‚Problem‘ legen würde.
„Dann genieß es doch einfach.“
„Wie?“
„Wie gesagt, er ist erwachsen und weiß, worauf er sich einlässt“, begann Klaus, „Wenn es dir gefällt, dann genieß es doch einfach. Versuch, dich zu entspannen. Vielleicht kannst du ihm irgendwann doch vertrauen.“ Er verzog den Mund etwas. „Wenn nich’, hast du’s wenigstens versucht.“
Ja, aber … würde Mischa das nicht noch mehr verletzen?

***

Mischa und ich hatten uns für einen dieser Animationsfilme entschieden, die ebenso für Kinder wie für Erwachsene waren. Der Film war locker-flockig, ein bisschen Drama mit garantiertem Happy End, genau so, wie man sich das eigene Leben wünschte, aber selten bekam.
„Möchtest du noch was trinken gehen?“, fragte er, als wir aus dem großen Multiplex herauskamen, und ich nickte, weil er so nah neben mir lief, dass seine Schulter alle paar Schritte gegen mich stieß, und weil wir die Frühvorstellung gewählt hatten und es deshalb erst acht Uhr war. Es war zwar kein Date, aber um acht kam man noch nicht vom gemeinsamen Zeitverbringen zurück, so viel war mir klar.
Und, weil Mischa mir auf das Nicken hin dieses überbreite, leicht alberne aber gerade deshalb so verdammt anziehende Grinsen schenkte, das eine Kolonie von Riesenschmetterlingen in meinem Bauch aufstieben ließ.
Wir gingen in einen Coffeeshop in der Nähe, weil ich nach dem Bier am Nachmittag lieber etwas kürzer treten wollte. Ich konnte weder eine Dummheit heute Abend noch einen Kater morgen früh brauchen. Das Lokal war stylish, modern und zu drei Vierteln mit jungen Leuten und ihren überteuerten, leuchtenden Laptops und glänzenden Smartphones belegt. Ich mochte es eigentlich etwas gemütlicher und leerer, aber das hier war in der Nähe des Kinos und sauber und … und es gab eigentlich immer noch ein paar freie Plätze, was Samstagabend in der Gegend nicht selbstverständlich war. Das musste reichen. Den Gedanken, dass ich mit Michael oft vor dem Kino hier was trinken gewesen war, schob ich beiseite. Ich war schließlich mit Mischa hier, nicht mit Michael. Und Mischa … nun …
Vielleicht … vielleicht war er ja wirklich nicht wie –
„Was möchtest du?“, fragte er mich, während er einen unbelegten Tisch ansteuerte, dessen Höhe nach Stühlen verlangte, der aber unpraktischerweise vor einem alten Sofa stand. Er zog seine Jacke aus und warf sie auf die Rückenlehne.
„Einen Latte Macchiato“, erwiderte ich, „wenn man hier so etwas Langweiliges überhaupt bekommt.“
„Ich schau mal, was sich machen lässt. Falls ich in fünfzehn Minuten noch nicht wieder zurück bin, dann haben die mich mit der Auswahl zwischen zwanzig verschiedenen südwestkolumbianischen Kaffeesorten überfordert und ich brauche deine Hilfe. Ich kann doch auf dich zählen?“
„Natürlich. In fünfzehn Minuten eile ich zu deiner Rettung und schlage dem Kaffeemonster den Kopf ab.“
„Mein Held.“ Er grinste, beugte sich zu mir und drückte mir flugs einen Kuss auf die Wange, bevor er sich auf den Weg zur Theke machte.
Das war jetzt der dritte. Den ersten hatte er mir noch im Hausflur gegeben, den zweiten kurz vor Filmbeginn im Kino, den dritten jetzt. Wenn ich ehrlich war, wusste ich nicht, wie ich darauf reagieren sollte. Es war mehr als ein typisches Küsschen auf die Wange, fester, intensiver, aber … aber eben doch ein Kuss auf die Wange, so spontan und schnell, dass er schon wieder aufrecht stand, noch bevor ich kapiert hatte, was passiert war. Das war doch … keine Ahnung, was es war – genau das war ja das Problem: Ich konnte es nicht einordnen. Wenn er mich küssen wollte, konnte er es dann nicht richtig tun?
Ganz abgesehen davon, dass diese Mini-Küsse schon ausreichten, um meine Denkfähigkeit auszuschalten. Mischa war leider wie Anti Brumm für Hirnzellen: Ein kleines Küsschen und die Dinger waren für bis zu acht Stunden ausgeschaltet.

„Wie war eigentlich dein Treffen mit Klaus?“, fragte Mischa, als er neben mir saß und mir meinen Latte reichte, „Hat er den Friseur überlebt?“
„Nur knapp“, erwiderte ich grinsend und löffelte den Schaum, „aber es war schön, ihn mal wieder zu sehen – auch wenn ich ihm wohl keine große Hilfe war. Ich glaube, er war einfach froh, sich mal auskotzen zu können und jemanden zu haben, der zuhört.“ Noch ein Löffel. Warum verkaufte eigentlich niemand Milchschaum ohne alles? Das war doch eh der beste Teil des Kaffees. „Bei mir war’s jedenfalls so.“
Er musterte mich kurz von der Seite. „Wenn du jemanden brauchst, der zuhört …“
„Mit dir kann ich nicht reden“, erwiderte ich schüttelte den Kopf – und sah im nächsten Moment, dass ich ihn, mal wieder, vor den Kopf gestoßen hatte. Scheiße! Ich wollte doch netter sein!
„Also, ich …“, begann ich viel zu rasch und haspelig, „ich – ich kann mich ja schlecht bei dir über dich ausheulen, oder? – Wobei, ausgeheult habe ich mich nicht, nur halt … geredet.“ Ich fuchtelte mit dem Löffel in der Hand herum und war mir entfernt bewusst, dass ich mich gerade zum Affen machte. „Und Klaus hat zugehört und mir dann gesagt, was er davon hält.“
Mischas Blick blieb ruhig auf mich gerichtet, während er meine Hand nahm. Ich verhakte meine Finger mit seinen und er lächelte.
Gut. Krise abgewandt.
„Und was hat er gesagt?“
Oh. Die Frage war jetzt voraussehbar gewesen, hm? Ich wollte meine Hand wegziehen, aber er hielt sie fest.
„Er hat gemeint, dass … also, dass ich es versuchen soll. Und wenn es nicht klappt, klappt es eben nicht. Seiest ja ein großer Junge, der wisse, worauf er sich einlässt.“
Mischa grinste. „Der ist mir eindeutig sympathischer als seine Freundin.“
Ja, das konnte ich mir vorstellen.
„Aber fürs Protokoll: Du kannst sehr wohl mit mir darüber reden. Fände ich sogar gut.“
„Wenn ich mich bei dir über dich ausheule?“, erwiderte ich skeptisch, „Ja, das käme sicher super.“
„Ich dachte, du hättest dich nicht ausgeheult?“, spöttelte Mischa und lachte. „Du könntest mir ja von ‚einem Freund‘ erzählen, der deinen Rat braucht, weil er einen unglaublich heißen Typen kennengelernt hat und auch noch mit ihm zusammenwohnt, aber …“
Er ließ den Satz in der Luft hängen.
Ich nahm meinen Latte und brummte in den nicht mehr vorhandenen Milchschaum: „Erstens wäre das gelogen und ich bin ein saumieser Lügner, und zweitens wär das so gar nicht offensichtlich.“
Und nein, das mit dem ‚unglaublich heiß‘ würde ich noch nicht einmal versuchen abzustreiten. Wäre eh verlorene Liebesmüh, der Junge hatte einen Spiegel zu Hause.
Er zuckte mit den Schultern. „Ist das nicht der Sinn davon? Und ich würde dann wissen, wie du die Situation beschreiben würdest.“
„Als verwirrend“, platze ich heraus und Mischa … strahlte mich an? Hatte ich was verpasst?
„‚Verwirrend‘ ist tausendmal besser als ‚aussichtslos‘“, erklärte er und gab mir einen dieser raschen Küsse auf den Mundwinkel, „und ziemlich sicher besser als die Antwort, die ich gestern noch gekriegt hätte.“
Da… 
Da hatte er wahrscheinlich Recht. Leider. Irgendwie. Scheiße! Das war nicht die Richtung, die ich einschlagen wollte.
Ich knurrte frustriert, griff in seinen Nacken und zog ihn zu mir. „Wenn schon, dann richtig!“, sagte ich und küsste ihn. Die kleinen Küsschen verunsicherten mich nicht nur, sie machten auch Lust auf mehr. Und er hatte ja gesagt, er wolle sich nicht verstecken müssen. Also.
Mischa ging auf den Kuss ein, unterbrach ihn aber schneller, als mir lieb war. Wenigsten blieb er nah, ließ seine Hände an meinem Gesicht und meine auf seinen Schultern.
„Milo, wenn es … ‚nur‘ daran liegt, dass du mir, wegen deinem Ex, nicht vertraust – wenn das der einzige Grund ist …“ Ein kleiner Kuss auf meinen Mund. „Vertrauen kann man lernen. Aufbauen.“
Offenbar. Nur auf die Anti Brumm-Wirkung konnte ich den Wechsel von ‚aussichtslos‘ – treffendes Wort, hohl war er nicht – zu ‚verwirrend‘ nicht schieben, wenn ich ehrlich zu mir war. Dennoch: Die Vorstellung, Mischa eine Chance zu geben war … beängstigend. Mischa war einfach intensiver als alle bisher und wenn das schief ging, würde ich nicht heil rauskommen, das stand fest.
Statt eine kluge Antwort zu geben küsste ich ihn wieder. Das konnte ich wenigstens.

„Erzähl mir was von dir“, forderte er mich auf, als wir wieder anständig nebeneinander saßen. Mit leicht geschwollenen Lippen, zwar, aber wir waren hier ja im einundzwanzigsten Jahrhundert, da durften zwei Jungs schon mit rotgeknutschen Lippen im Coffeeshop sitzen.
„Zum Beispiel?“
„Hast du Geschwister?“, begann er, ließ mir aber keine Zeit zu antworten, „Wie und wo hast du Klaus kennengelernt? Warum ist jemand mit so sympathischen Ansichten wie er mit jemandem zusammen, der so unsympathische Ansichten vertritt wie Anita? Welches ist deine Lieblingseissorte? Wie, wo und wann hast du dich geoutet? War Rec gestern der schlimmste Film deines Lebens oder gibt’s noch grässlichere? Was wünschst du dir von einer Beziehung? Harry Potter oder Herr der Ringe?“
Ich sah ihn überfordert an. „Äh …“
Mischa grinste. „Irgendwas, Milo. Ich sag doch, ich möchte dich kennenlernen.“
O…kay?
Kennenlernen. Fragen beantworten. Das konnte ich. War ja nicht so schwierig. Hatte er heute Morgen auch gemacht. Auch, wenn ich nur zwei Fragen gehabt hatte.
„Ja, eine Schwester, Rosa, sie ist elf“, begann ich und lächelte beim Gedanken an sie, „Und sie ist auch für mein schlimmstes Filmerlebnis verantwortlich: Sie hat mich schon mindestens zehnmal gezwungen, mir Vom Winde Verweht mit ihr zu anzuschauen.“ Ich verzog alleine bei der Erinnerung daran das Gesicht. „Dagegen machen Rec und du leider nur den zweiten Platz, vor allem, weil ich weiß, dass ich mir den nie wieder antun muss.“
In Mischas Augen blitze der Schalk auf und ich hob warnend den Finger, bevor er auch nur etwas sagen konnte. „Nie wieder, das meine ich ernst. Auch keine der Fortsetzungen! Da kannst du noch so traurig gucken, da wird nichts draus.“
„Traurig gucken, ich?“, fragte er und sah mich ein wenig verwirrt an, aber ich hatte nicht vor, ihm diesen enttäuschten Gesichtsausdruck von ihm und die Wirkung auf mich zu erklären. Er wusste schon, was sein Lächeln und seine Küsse anstellten, das musste fürs Erste reichen.
„Klaus … wie ich ihn kennengelernt habe?“, fragte ich nach, weil ich mir nicht mehr sicher war, was er alles hatte wissen wollen.
Mischa nickte. Und ließ den neandertalisch-eleganten Themawechsel durchgehen. 
„In der Schule. Eigentlich im Kindergarten, aber wir haben uns erst im Gymnasium wirklich kennengelernt, und das vielleicht auch nur, weil wir die da einzigem aus unserem Dorf waren.“ Ich zuckte mit der Schulter. „Wirklich sozial war ich schon damals nicht, und an Bauernfesten und Jugendpartys hatte ich auch herzlich wenig Interesse gehabt. Dito für Klaus – und irgendwie hat diese eine Gemeinsamkeit gereicht, um ’ne Freundschaft entstehen zu lassen. Anitas Familie ist mit vierzehn zu uns in Dorf gezogen und die beiden sind zusammen, seit sie sechzehn sind.“ So ganz hatte ich es mir am Anfang nicht erklären können, aber sie passten auf eine verquere Weise wirklich zusammen. Klaus ließ sich von Anita nicht aus der Ruhe bringen und wusste, wann er die Klappe zu halten hatte. Anita war selbstständig genug, um ihm die viele Zeit vorm Computer nicht nachzutragen, und gleichzeitig resolut genug, um ihm selbst zu sagen, dass sie mehr wollte. Klaus hätte das damals nicht hingekriegt.
„Eissorte: Schokolade-Minze“, fuhr ich fort und bekam langsam wirklich Probleme mit den Fragen, „Herr der Ringe und Harry Potter. Ich mag beide.“ Ich trank einen Schluck, um in dem Schweizer Käse, der sich mein Hirn nannte, nach den anderen Fragen zu suchen. Was hatte er denn noch – 
„Mein Outing“, sagte ich lauter, als nötig, und sah ihn dann an, „Na ja, da gibt’s nicht viel zu erzählen: Ich war vierzehn, Sabine, die in Mathe neben mir saß, lud mich – warum auch immer, wir hatten davor noch keine zehn Worte miteinander gewechselt – zu einer Party ein und ich, Taktgefühl in Person, das ich bin, antwortete: ‚Sorry, aber ich glaube, wenn, dann würde ich lieber mit einem Jungen hin.‘ Und dann war’s plötzlich still im Zimmer und mir wurde bewusst, was ich da gesagt hatte.“
Mischa lachte. „Einfach so?“
„Ich glaub, ich war gerade gedanklich beim Hintern von irgendeinem Schauspieler gewesen. So ganz habe ich wohl erst in dem Moment, als ich es gesagt hab, verstanden, was das bedeutet.“
„Wie haben sie reagiert?“, fragte er vorsichtig und ich lächelte beruhigend.
„Ganz okay, die meisten. Die Jungs haben zwar erst gemeint, sich brüskieren zu müssen, aber nach ’ner Woche war Ruhe. Meine Eltern hatten es eh schon geahnt, zusammen mit der Hälfte der Dorfgemeinschaft; ich war ja immer schon ein wenig ‚anders‘ gewesen, eigenbrötlerisch und so. Schwulsein passte da ihrer Ansicht nach wohl ganz gut zu.“
Ich nippte wieder an meinem Kaffee und bemerkte, dass ich nur noch ein, maximal zwei Schlucke hatte. Ich musste wohl langsamer trinken, sonst dachte er noch, ich wolle gehen.
„Bei dir?“, fragte ich nun und beobachtete seine Reaktion, „Du hast gesagt, dieser Oliver sei in der Schule dein einziger Freund gewesen … kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.“
Er hob belustigt die Augenbrauen. „Nein?“
Ich schüttelte den Kopf. „Na, du bist so …“ Mein Blick wanderte einmal an ihm rauf und runter. „… gesellig“, beendete ich den Satz dann sehr wortgewandt.
„Gesellig, ja? Hab ich auch noch nie gesagt bekommen.“ Mischa grinste, wurde dann aber ernst. „War ich aber in der Schule nicht. Ich …“ Er stoppte, legte sich offenbar die Worte zurecht.
„Wenn du nicht darüber …“
Er unterbrach mich. „Doch, sicher. Ich freu mich ja, wenn du Dinge über mich erfahren möchtest.“
Oh. Hm.
Ähm … das hörte sich verdächtig danach an, als würde er zu viel hineininterpretieren. War ja schließlich nur eine Frage.
Ich meine, natürlich interessierte es mich. Immerhin war er mein Mitbewohner und … eben Mischa. Aber das bedeutete nicht …
Ja, was eigentlich? Ach, so ’ne Bullenkacke!
„Sagen wir’s so: Ich war bis dreizehn klein und rund und bin dann viel zu schnell viel zu viel in die Höhe geschossen. Mein Selbstbewusstsein war vorher schon nicht super gewesen – ich mein, wessen ist das schon, in dem Alter? – aber danach hat einfach nichts mehr zusammengepasst und ich war … schlaksig und linkisch und habe mich verdammt unwohl gefühlt. Dazu kam meine Vernarrtheit in Mathe, dass ich schwul war …“
Er unterbrach sich selbst und schüttelte den Kopf. „Nein. Eigentlich gab’s nur einen Grund: Ich kam mit mir selbst nicht klar und fand kein angemessenes Ventil für den ganzen Frust und die Wut und …“ Er fuhr sich durch die Haare und sah mich verlegen an. „Ich hatte ein Aggressionsproblem, wäre einmal auch fast von der Schule geflogen.“
Du?!“, rief ich ohne nachzudenken, „aber du bist doch so – ruhig? Beherrscht?“
„Heute, ja“, antwortete er sanft, „aber das musste ich lernen. Der Schulpsychologe meinte, ich solle mit Sport anfangen und nach einigem Hin und Her bin ich beim Boxen gelandet. Das hat geholfen: Ich bekam Bewegung, dem Sandsack haben meine Schläge nicht wehgetan, ich hatte ein Ziel – gut genug zu werden, um mich an Mike messen zu können …“ Er grinste bei der Erinnerung. „… Ich hab Freunde gefunden, eine Beschäftigung. Und als ich irgendwann gemerkt habe, was das Training mit meinem Körper anstellt, war ich auch nicht gerade traurig darüber.“ Noch ein Grinsen und dazu ein Zwinkern.
Mischa sah gut aus, wenn er zwinkerte.
Er trank seinen Kaffee aus. „Ich habe dir ja gesagt: Ich trainiere, um Stress abzubauen.“
Das hatte er, ganz am Anfang mal. Aber ich hatte nicht weiter darüber nachgedacht.
Ich musterte ihn, die trainierten Arme, die in kräftige Schultern übergingen, den definierten Unterkiefer, das markante Kinn, die schmalen Lippen, über die Nase zu den Augen, deren Blick abwartend auf mir lag. Nein, als schlaksigen und linkischen Teenager konnte ich ihn mir so gar nicht vorstellen.
„Hast du Fotos von damals?“
Er lachte irgendwie erleichtert und schüttelte den Kopf. „Die kriegst du nicht zu sehen, bis ich sicher sein kann, dass du nicht schreiend wegläufst. Außerdem habe ich sie in vorausschauender Weisheit bei meinen Eltern gelassen.“
„Wie gemein“, erwiderte ich und trank schweren Herzens mein Glas ebenfalls leer. Wir würden wohl bald gehen. Wir hatten ja auch genug Zeit miteinander verbracht in den letzten beiden Tagen …
„Moment mal!“, rief ich und musterte Mischa eindringlich. Er sah mich fragend an. „Wieso bist du eigentlich nie … verletzt?“
Er blinzelte. „Möchtest du mich verletzt sehen?“, zog er mich auf, „Vielleicht Krankenschwester spielen?“
Ich knuffte ihn in die Schulter. „Natürlich nicht – und das heißt ‚Gesundheits- und Krankenpfleger‘ heutzutage. Nein, ich mein nur … sind Boxer nicht meist grün und blau?“
Er lachte und schüttelte den Kopf. „Nach einem harten Kampf vielleicht. Aber ich nehme nicht an Wettkämpfen teil. Hab ich ein paar Mal gemacht und die Lust verloren.“ Er zuckte mit den Schultern. „Meist trainiere ich für mich, arbeite mit Mike an der Technik oder mache Sparring. Ich will nicht gewinnen, sondern besser werden.“
Ich ließ mir das durch den Kopf gehen. „Der Weg ist das Ziel, hm?“ Auf eine verquere Weise passte es zu Mischa.
„So in etwa.“ Er nickte und wir schwiegen eine Weile. Ich versuchte, gleichzeitig die neuen Infos zu verarbeiten und nicht daran zu denken, dass unsere Tassen leer waren, und kam keinen Schritt weiter. Schließlich holte mich Mischas Bassbariton aus dem Dilemma.
„Milo?“
Ich sah fragend auf.
„Ich hab, seit ich Mike getroffen habe, niemanden mehr außerhalb des Ringes geschlagen – das war seine Bedingung, mich aufzunehmen. Ich würd so was auch nicht mehr tun.“
„Hab ich auch nicht angenommen“, erwiderte ich leicht baff, bevor der Groschen fiel. „Mischa“, fügte ich rasch hinzu und legte meinen Hand auf seinen Unterarm, „wenn überhaupt, hast du zu viel Selbstbeherrschung. Gestern Nacht zum Beispiel hätte ich mir gewünscht, dass du sie verloren hättest.“ Und damit er mir auch wirklich glaubte, dass das Geständnis über seine Jugendsünden kein ‚Rückschritt‘ ausgelöst hatte, küsste ich kurz aber bestimmt. Nur deswegen natürlich.
Als ich mich wieder zurücksetzen wollte, hielt er mich fest.
„Ich hoffe ja, sie bald ablegen zu können“, murmelte er, drückte seine Lippen noch einmal gegen meine und ließ mich dann los. „Du hast mir eine Frage noch nicht beantwortet.“
„Welche?“
„Was wünschst du dir von einer Beziehung?“
Oh. Ja, das hatte er gefragt. War es mir zu verdenken, dass ich gerade diese vergessen hatte? Auch wenn ‚verdrängt‘ wohl die bessere Wortwahl war.
Mischa wartete auf die Antwort und ließ mich dabei nicht aus den Augen. Aber was konnte ich antworten, wenn ich doch keine Ahnung hatte, wie meine Antwort aussah?
Schließlich seufzte ich und zuckte mit den Schultern. „Darüber habe ich noch nie genauer nachgedacht.“ 
Mischa blieb ruhig und schien mir die Gelegenheit geben zu wollen, jetzt darüber nachzudenken.
„Jemand, der mich liebt, natürlich“, fing ich an, das laut zu tun, „und den ich liebe – und der treu ist. Und …“
Und was?
„… Der mich so akzeptiert, wie ich bin …“, fuhr ich fort und merkte selbst, dass das nur ein Standardsatz war. Damit passte er wenigstens zu „Jemand, der mich liebt und den ich liebe“ – hallo, wer wünschte sich das nicht in einer Beziehung? Geldgeile Flittchen mal ausgenommen.
Ich schüttelte unwillig den Kopf und sah Mischa wieder an. „Kann ich darüber nachdenken und dir später antworten?“ 
„Sicher.“ Er lächelte, streckte die Hand nach meiner aus und spielte mit meinen Fingern. „Möchtest du noch was?“
Ich nickte und stand auf. „Diesmal geh ich. Was nimmst du?“
Aber Mischa schüttelte bestimmt den Kopf, stand ebenfalls auf und drückte mich weder auf das Sofa. „Beim nächsten Mal, vielleicht. Wenn du mich fragst, ob ich ‚Zeit mit dir verbringen‘ möchte, darfst du bezahlen, falls du das willst. Heute habe ich gefragt, und ich möchte bezahlen, also werde ich das auch tun.“
„Das ist wieder eine der Regeln, die du erfindest, weil sie dir gerade in den Kram passen, oder?“, fragte ich halb säuerlich, halb grinsend, „Wie das mit den Zinsen, wenn ich die ‚Bezahlung‘ für die Nachhilfe nicht schnell genug liefere.“
„Sind das nicht die besten?“ Er grinste breit und so gar nicht schuldbewusst. „Noch’n Latte oder was andres?“
Wie gut, dass das hier kein Date war. Nein, ich verbrachte nur meinen Samstagabend damit, mit   einem heißen Typen erst ins Kino und dann was trinken zu gehen, und ließ mich von ihm auch noch einladen. Oh, und ich überprüfte alle paar Minuten, ob seine Lippen immer noch so weich waren wie zuvor. Aber Date war ja anders.
Ich war ein Idiot. Und ich hatte keine Ahnung, wie ich mich hier wieder herausmanövrieren sollte.

***

Ich streckte die Füße von mir und schloss die Augen. Im Hintergrund klang leise Popmusik aus den Lautsprechern. Die Stille war angenehm. Es war schön, hier zu sitzen und auf ihn zu warten. Es war eben schön gewesen, seine Nähe zu spüren und mich mit ihm zu unterhalten.
„Milo?“
Mit einem Mal war alle Entspannung verflogen. Mein Kopf ruckte hoch und mein Herz setzte aus.
„Hey … lange nicht mehr gesehen.“ Michaels himmelblaue Augen sahen mich an, kurz an mir rauf und runter. „Wenn das kein Zufall ist.“
Ja. Aber nur, wenn die Definition von ‚Zufall‘ seit Neuestem ‚generelles vom Leben Geficktwerden‘ war. Das war doch jetzt ein schlechter Witz, oder? Michael konnte ich in dem ganzen Gefühlschaos wirklich nicht brauchen, vor allem, da er immer noch gleich aussah und mich immer noch gleich ansah, mit diesem Blick, der mir das erste Mal im Leben das Gefühl gegeben hatte, mehr als nur eine schnelle Nummer zu sein.
Vielleicht sollte mich das mit dem Aussehen nicht überraschen, es war schließlich noch keine vier Monate her, seit ich ihn das letzte Mal gesehen hatte. Seine blonden Haare waren oben ein bisschen länger und unten ein bisschen kürzer geworden, aber ansonsten … er hatte sogar noch den Anhänger um, den ich ihm letztes Weihnachten geschenkt hatte. Als wäre nichts passiert. Als hätte er nicht den Spargeltarzan in unserem Bett gefickt – und, Scheiße, auch wenn die Wohnung vielleicht immer nur seine Wohnung gewesen war, wenigstens das Bett hatte mir auch gehört, ich hatte ja geholfen, es auszusuchen – und ich hatte jede Nacht darin geschlafen, verdammt noch mal!
Sein Lächeln war auch immer noch dasselbe, eine Mischung zwischen Lächeln und Grinsen, das die Grübchen in seinen Wangen andeutete, die man aber nur dann wirklich sah, wenn er richtig lachte. Michael hatte ein schönes Lachen.
„Bist du mit Anita hier?“, fragte er ohne sich umzusehen und setzte sich neben mich, „Wollt ihr ins Kino?“ Dann, als wäre es das Normalste der Welt, streckte seine Hand aus und zupfte an meinen Haaren, fuhr mir sanft über die Wange. Er trug sogar immer noch die gleichen beiden Silberringe an der Rechten. „Du siehst gut aus.“
„Was machst du hier?“, presste ich mit einiger Anstrengung zwischen meinen Lippen hervor und hielt mich nur mit Mühe selbst davon ab, an den Rand des Sofas zu rutschen.
„Ich wollte mit Thorben und Dom in den neuen James Bond.“ Er zeigte schräg hinter sich. Tatsächlich, dort ließen sich gerade zwei seiner Kumpel auf zwei Sessel fallen. „Hast du nicht Lust mitzukommen?“
„Wieso sollte ich?“ ‚Gekeift‘ wäre das richtige Verb zu den Worten gewesen, wenn meine Stimme nicht so leise geblieben wäre. Scheiße, warum hatte ich nur dieses Lokal gewählt? Wir hätten sicher auch anderswo einen freien Tisch gefunden und ich wusste schließlich, das Michael hier hin ging, wenn er ins Kino wollte. Und Michael ging gerne ins Kino.
„Du stehst doch auf Actionfilme. Und Daniel Craig.“ Das Grinsen diesmal war um einiges anzüglicher und füllte meinen Kopf mit Erinnerungen, die ich lieber nicht mehr haben wollte. „Und danach können wir endlich reden. Das ist längst überfällig.“
„Du hattest deinen Schwanz im Arsch eines anderen – da gibt’s nichts mehr zu bereden!“ Okay, nun war ich dem wahren Keifen schon um einiges näher. Das war nicht gut. Michael war Geschichte und genau so sollte ich ihn auch behandeln.
Babe, nicht hier“, ermahnte er mich, „Ich habe die ganze Zeit versucht, dich zu erreichen, aber du hast mich immer weggedrückt. Und als ich mich durchgerungen habe, Anita nach deiner neuen Adresse zu fragen, wollte sie sie mir nicht geben.“
„Ich habe deine Nummer blockiert“, erwiderte ich automatisch, „von deinen Anrufen hab ich nichts mitbekommen.“ Und Anita wusste, dass ich ihn nicht sehen wollte. Die blockierten Anrufe waren ja wohl deutlich genug.
„Oh.“
Ja, oh.
„Milo, es tut mir leid“, begann er eindringlich, „Ich habe einen Fehler gemacht. Ich hatte nicht … ich hatte mir eingeredet, dass …“ Da war er wieder, der Blick, mit dem er mich immer kleingekriegt hatte. Und auch diesmal wollte ein Teil von mir, ein kleiner, aber dennoch lautstarker Teil, dass ich ihm zumindest zuhörte. Das konnte ja nicht schaden, oder?
„Ich vermiss dich. Die Wohnung ist so leer und … können wir reden? Bitte.“ Michael nahm meine Hand. „Irgendwo, wo wir unter uns sind.“
Die Berührung fühlte sich so vertraut an, aber sie gab mir nicht mehr das Gefühl von Verbundenheit und Wärme, dass sie mir vorher immer gegeben hatte. Nein. Ich wollte nicht reden und ich wollte nicht mit ihm ‚unter uns‘ sein. Ich wollte, dass er ging und mich den Rest des Abends genießen ließ. Aber ich wollte ihm hier auch keine Szene machen, sonst würde Mischa die nur mitbekommen und dann wäre der Abend sicher gelaufen.
„Milo, ist alles in Ordnung?“
Wenn man vom Mischa sprach …
Er stand mit zwei heißen Pappbechern schräg hinter Michael. „Sie hatten keine sauberen Tassen mehr“, fügte er hinzu und kam dann um das Sofa herum, um die Becher auf den Tisch zu stellen. Er musterte Michael, dann zu unseren Händen.
Mein Herz fiel mir in den Magen und ich zog meine Hand weg, als hätte ich mich verbrannt. Mischa würde das doch nicht falsch verstehen, oder?
Michael sah von mir zu Mischa und taxierte ihn mit einem überraschten Blick, bevor sich Verstehen auf seinem Gesicht ausbreitete.
„So schnell?“, fragte er leise und sah mich geschockt an.
„Michae…“
Er lachte, aber es war nicht sein schönes Lachen. „Scheiße, du hast ja echt nix anbrennen lassen – und er passt auch perfekt in dein Beuteschema. Gut für dich!“ Er stand auf. Sein Blick wandelte sich zu wütend und – verletzt. Warum zum Teufel sah er mich so an?
„Als du mich wegen dem Kleinen verlassen hast, da dachte ich echt, ich hätte mich getäuscht, aber dir kann nicht viel an uns gelegen haben, wenn du so schnell Ersatz für mich gefunden hast! Und das, wo du immer gesagt hast, dass du bei so was Zeit brauchst.“ Er schüttelte den Kopf. „Ich Idiot hab mir auch noch ein schlechtes Gewissen gemacht.“
„Das – Mischa ist nicht dein Ersatz!“, fuhr ich ihn an, aber er lachte nur wieder.
„‚Mischa‘? Zu geil.“ Er wandte sich zu Mischa und grinste ihn an. „Bist also echt nur ’ne billige Kopie. Ich hoffe für dich, dass du nur ’nen heißen Fick suchst – darin ist er gut, geht richtig ab, aber es geht ihm am Arsch vorbei, wer da gerade in ihm steckt, solange derjenige trainiert genug ist.“
„Micha!“, rief ich und sprang vom Sofa auf. Fantastisch, nun machte ich – oder machten wir – doch eine Szene. Ich wollte ihn am Arm packen und ihn zu mir umdrehen, aber er ignorierte mich.
Mischa musterte Michael und erwiderte: „Lass das mal meine Sorge sein.“
Wenigstens einer blieb hier ruhig.
„Ja, genau das habe ich anfangs auch gedacht. Wetten, in ein paar Monaten stehst du an meiner Stelle – wenn du schlau bist. Wenn nicht, belügst du dich halt noch länger selbst.“
„Was soll die Scheiße?!“, knurrte ich und riss ihn nun doch zu mir herum, „Du kannst mir nicht vorwerfen, dass ich über drei Monate nach der Trennung mit jemandem einen Kaffee trinken gehe, wo du noch nicht einmal auf die Trennung gewartet hast, um dir wen Neues zu suchen! Hör gefälligst auf, hier einen auf Opfer zu machen!“
„Ich habe mir nicht ‚wen Neues‘ gesucht!“ Michael machte sich mit einer heftigen Bewegung von mir los. „Ich bin auch nicht mit ihnen ‚Kaffee trinken‘ gegangen – und hättest du mir nicht wieder und wieder bewiesen, dass es dir scheißegal war, wenn mich ein anderer Kerl angemacht hat – verdammt noch mal, sogar wenn ich in deiner Gegenwart drauf eingestiegen bin! – dann wäre ich gar nicht erst auf die Idee gekommen, andere Kerle zu ficken! War für mich schließlich auch das erste Mal.“
„Jetzt ist es also meine Schuld, dass du deinen Schwanz nicht in der Hose behalten konntest? Hast du sie eigentlich noch alle?!“ Ich hatte alle Mühe, ihn nicht anzuschreien; eigentlich hätte ich mir das sparen können, wir hatten uns sowieso schon längst die Aufmerksamkeit des gesamten Coffeeshops gesichert. „Ich habe dir vertraut, du Arschloch!“, zischte ich.
„Sorry, Schätzchen, aber du verwechselst Vertrauen mit Gleichgültigkeit. Ich habe ja noch nicht mal versucht, es vor dir zu verstecken, also erzähl mir nicht, dass du es wirklich erst bei dem Letzten kapiert hast.“
Ich setzte zu einer Antwort an, aber plötzlich fiel meine Wut in sich zusammen.
Kerle.
Andere Kerle.
„Was?“ Michael sah mich verständnislos an, aber ich erklärte mich nicht. Ich starrte ihn an, sah direkt in seine schönen, himmelblauen Augen und brachte keinen Ton heraus.
Kerle. Plural.
Ich hatte es vermutet, ja, aber etwas zu vermuten und es vom Exfreund ins Gesicht geknallt zu bekommen, war etwas anderes. Der Spargeltarzan war nicht der einzige gewesen, bei Weitem nicht. Und er hatte nicht einmal versucht, es zu verheimlichen. Ich war schlichtweg zu dumm gewesen, es zu sehen.
„… Milo?“
Als wäre Mischas Stimme der Auslöser, spürte ich, wie meine Augen anfingen zu brennen, während ich Michael immer noch anstarrte.
Schnell wandte ich mich ab und schnappte meinen Mantel. Ich wollte hier weg. Weg von den Leuten, weg von Michael, weg von allem.
„Kommst du?“, fragte ich in Mischas Richtung, ohne ihn direkt anzusehen. Und bevor ich noch vor versammelter Mannschaft heulte, wandte ich mich ab und ging. 

***

Okay, ich ‚ging‘ aus dem Coffeeshop, aber ich eilte die Straße runter, während ich meinen Mantel anzog. Ich wollte einfach nur noch weg.
Wie konnte er mir die Schuld daran geben? Ich war treu geblieben, verdammt noch mal! Ich hatte keine anderen Kerle gebraucht, um mir die einsamen Stunden zu versüßen.
‚Einsame Stunden‘ – waren sie das gewesen, für Michael?
„Hey!“ Mischa kam neben mir an, schlitterte von Rennen zu Gehen und stieß kleine Atemwölkchen in die kalte Novemberluft. „Renn doch nicht so.“
„Ich renne nicht.“ Ich hatte gefasst und distanziert klingen wollen, aber ich klang einfach nur müde, sogar in meinen Ohren.
Hatte ich wirklich Micha das Gefühl gegeben, er sei mir egal?
„Aber du gehst verdammt schnell.“
Michael war mir nicht gleichgültig gewesen. Wie konnte er das sagen?
Am Anfang war er stärker in mich verliebt gewesen als ich in ihn, ja, aber … das hieß nicht, dass ich keine Gefühle für ihn entwickelt hatte. Ich hatte nur etwas länger dafür gebraucht als er. Und vielleicht hatte ich ihm nicht täglich aufs Neue meine unsterbliche Liebe geschworen, aber als gleichgültig konnte man mein Verhalten sicher nicht bezeichnen. Ich war mit ihm zusammengezogen, verdammt, obwohl ich mich im Studentenheim wohl gefühlt hatte und die sogar halbe Miete seines Apartments ein ganzes Stück teurer als die Zimmermiete gewesen war! So was tat man nicht für jemanden, der einem egal war – das musste er doch wissen!
Mischa schlüpfte in seine Jacke.
„Das war also Michael.“
„Lass es.“ Wieder war meine Stimme kraftlos, aber wenigstens hatte ich das mit dem distanziert hinbekommen.
„Was denn?“ Er wich einem entgegenkommenden Pärchen aus und sah mich verständnislos an. Als ich weiterging, ohne zu antworten, hielt er mich am Arm fest und drehte mich zu sich. „Hey …“, begann er leise, ließ meinen Ärmel los und hob die Hand.
Ich wich der Berührung aus. Er meinte es nur gut, er wollte nur da sein, das wusste ich – aber gerade wollte ich das nicht. Seine Nähe würde mich nur wieder beduseln und das Unausweichliche hinauszögern.
‚Genau das habe ich anfangs auch gedacht.‘
Sogar Michael hatte gleich bemerkt, dass sie sich viel zu ähnlich waren. Spätestens jetzt musste Mischa es ebenfalls eingesehen haben.
Michael hatte vorher auch noch keinen seiner Freunde betrogen – das hatte er doch damit gemeint, dass es auch für ihn das erste Mal gewesen war, oder? Und er hatte definitiv eine Beziehung und nicht nur Sex gewollt. Genau wie Mischa. Und ich hatte mich in ihn verliebt – genau wie in Mischa. Und ich hatte gedacht, dass er das auch wusste. Aber stattdessen hatte er gedacht, er sei mir egal, und hat sich schließlich anderen Männern zugewandt.
Als ich den Blick hob, hatte Mischa wieder diesen Gesichtsausdruck. Natürlich hatte er den; wenn jemand vor der eigenen Berührung zurückwich, tat das weh. Wenn es dann noch in einer Situation wie dieser und mit einem Hintergrund wie dem unseren geschah, besonders. Dennoch, ich würde ihm den Ausdruck nicht nehmen können. Nicht, solange ich ihn nicht anlog und ihm eine Friede-Freude-Eierkuchen-Schmetterlingswelt vorspielte. 
„Das hat keinen Sinn.“
„Milo …“
„Nein“, unterbrach ich ihn. Nachdenken war fehl am Platz. Ich hatte meine Entscheidung doch längst gefällt und ich musste endlich anfangen, nach ihr zu handeln. „Das hier, wir haben keinen Sinn.“
Der Schock und das Unverständnis in seinen Augen schnitten mir direkt ins Fleisch. Und ein Teil von mir hätte mich gerade am liebsten umgebracht. Es fühlte sich sogar an, als ob dieser Teil der größere der beiden war, aber der andere hatte die Kontrolle.
Und dann wichen Schock und Unverständnis und seine Augenbrauen zogen sich zusammen. „Wegen dem, was er eben gesagt hat?“, fragte Mischa, „Wegen ihm?“
„Du hast doch selbst …“
„Nein, ich habe verdammt noch mal nicht!“, unterbrach er diesmal mich, „Vor allem habe ich keine Ahnung, wo ich bitte Ähnlichkeit mit diesem blonden Armani-Model-Verschnitt haben soll! Oder hat er etwa Recht und du siehst, wenn du mich anschaust, wirklich nur ein paar Muskeln mit einem Schwanz?“
„Nein!“, rief ich und machte einen kleinen Schritt auf ihn zu. Das dachte er nicht wirklich, oder?
„Wo also?“, fragte er lauter als nötig und schob rasch hinterher: „Und wenn du jetzt auch nur andeutest, dass wir charakterlich ähnlich seien, kann ich echt für nichts garantieren. Ich habe meine Fehler, aber so erbärmlich, meinem Partner die Schuld für meine Fehltritte zuzuschieben, war ich noch nie – und werde ich hoffentlich auch nicht.“
„Michael ist nicht erbärmlich“, widersprach ich ihm automatisch, „Er war verletzt und wütend und du hast doch gehört, er …“ Ich brach ab.
„Er hat dich betrogen“, erwiderte er wieder etwas ruhiger, „Sogar, wenn er wirklich dachte, du würdest ihn nicht lieben, ist es nicht deine Schuld, wenn er so feige ist, und die Beziehung absichtlich mit Fremdgehen ruiniert, statt den Mumm zu haben dich darauf anzusprechen.“
„Du verstehst das nicht, er …“ Ich wusste selbst nicht, was ich sagen wollte, und brach ab, bevor ich es herausfand, denn Mischas Blick hatte sich verändert und er schüttelte ganz leicht den Kopf.
„Wieso verteidigst du ihn?“
Ich – weil …
Aus Gewohnheit vielleicht, weil ich ihn vor Anita immer verteidigt hatte?
„Ich weiß nicht“, antwortete ich schließlich.
Mischa zögerte. „Hast du noch Gefühle für ihn?“
„Nur negative.“
Er musterte mich, bevor er fragte: „Und warum verteidigst du ihn trotzdem ohne zu zögern, während du noch nicht mal in Erwägung ziehst, mir eine Chance zu geben?“
Es war kalt hier draußen, so dass das Blut sich aus meinen Fingerspitzen zurückzog und sie taub zurückließ. Das Licht der Straßenlampen und der umliegenden Geschäfte war hart und weiß; Mischas Gesicht sah durch die Schatten älter aus. Nein, nicht nur wegen der Schatten. Scheiße, es lief gerade verdammt schief.
„Abgesehen davon, dass ich dich – warum auch immer – an ihn erinnere, habe ich irgendetwas getan, dass dich denken lässt, ich würde so handeln wie Michael?“
Ich schüttelte den Kopf. Nein, rational gesehen, hatte ich keinen Grund, das zu denken. Nicht wahr? Sogar wenn sie sich äußerlich wie ein Ei dem anderen ähneln würden, würde das nicht bedeuten, dass sie gleich dachten und handelten. Aber dennoch, meine Zweifel blieben.
… Wann hatten Herz und Verstand eigentlich die Plätze getauscht? Am Anfang war es das Vernünftige gewesen, mich von ihm fernzuhalten, aber mein Herz hatte dennoch allein beim Gedanken an ihn Überstunden gemacht. Und nun sagte mir mein Verstand, dass Mischa Recht hatte, aber ich konnte mich dennoch nicht fallenlassen.
„Milo, die einzige Art, wie ich dir beweisen kann, dass ich treu bin, ist, es zu sein – aber dazu musst du mir eine Chance dazu geben. Ich kann dir nicht beweisen, dass du mir vertrauen kannst, wenn du mich auf Sicherheitsabstand hältst.“
„Ich weiß“, antwortete ich leise. Ich wusste das ja, eigentlich.
Mischas Stimme war ebenso leise, doch im Gegensatz zu meiner trotzdem fest. „Aber das ändert nichts, oder?“
Ich schloss die Augen. Ich wollte nicht darauf Antworten, aber Schweigen war Antwort genug.
Als er seufzte, hob ich den Blick wieder. Er fuhr sich übers Gesicht, sah mich an und schien in meinem Gesicht nach etwas zu suchen. Schließlich schloss er ebenfalls kurz die Augen und schien innerlich auf fünf zu zählen. Als er mich wieder ansah, sah er enttäuscht, verletzt und entschlossen aus.
Aussichtslos passt also doch besser.“
Ich brauchte einen Moment, bis ich verstand, wovon er sprach.
„Sorry, ich hätte es gleich kapieren sollen. Warst ja von Anfang an deutlich genug.“ Er wollte sich abwenden, aber ich hielt ihn am Ärmel zurück. Wenn er jetzt ging, dann war es vorbei, das war mir klar.
„Mischa …“
Er sah mich an.
„Ich …“ Es wäre gut gewesen, wenn ich wenigstens jetzt gewusst hätte, was ich sagen wollte. Aber das tat ich nicht. Ich hatte keine Ahnung, wie wir innert einer halben Stunde von zufrieden knutschend auf dem Coffeeshopsofa zu – zu – zu dem hier gekommen waren. Wie hatte der Abend nur so den Bach runter gehen können? Wir hatten doch nur ins Kino gehen wollen. Uns ein bisschen besser kennenlernen, das hatte er selbst gesagt. Ein bisschen Zeit zusammen verbringen. Genau! Genau das hatte er gesagt.
„Können wir nicht – einfach Freunde sein?“ So, wie er es vorgeschlagen hatte? Natürlich war klar gewesen, dass er eigentlich mehr sein wollte als Freunde, aber konnten wir nicht erst mal auf diese Stufe zurück und dann weitersehen? Wenigstens, bis ich das Chaos in meinem Kopf geordnet hatte.
Aber Mischa schüttelte den Kopf. „Ich bin ich dich verliebt, Milo. Ich will nicht daneben stehen, wenn du jemanden kennenlernst, und ich werde mich nicht für dich freuen können, wenn du eine Verabredung hast.“ Er hielt inne und sah mir dabei fast schon herausfordernd fest in die Augen. „Ich kann nicht dein Freund sein.“


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