Update-Info

07.01.2015: Ich wünsche allen ein (verspätetes) frohes neues Jahr! :)

Bei uns hat das Jahr leider mit einer Krebsdiagnose begonnen. Nicht meine, aber dennoch werden die Kapitel in absehbarer Zeit nur sehr unregelmäßig erscheinen.

Sonntag, 2. Dezember 2012

Wieder und wieder 02:

Ein Date. Zu viel Bier. Peinlichkeiten.


Die nächsten zwei Wochen verliefen ohne größere Probleme. Vor allem anfangs ging ich Mischa möglichst aus dem Weg, aber auch falls er das bemerkte, verhielt er sich mir gegenüber normal und freundlich, so dass ich mich Mitte der zweiten Woche etwas beruhigt hatte und wieder mehr Zeit im Wohnzimmer und in der Küche verbrachte. Ich bekam immer noch Herzklopfen und Intelligentsaussetzer, wenn ich ihn sah oder mit ihm redete, aber daran würde ich mich gewöhnen müssen. Und das würde ich auch tun, ganz sicher.
Es war Freitag, ich hatte das letzte Seminar hinter mich gebracht und ließ gerade den Kugelschreiber in meine Tasche fallen, als ich angesprochen wurde.
„Milo?“
Alex stand neben mir, die Locken wie immer unter einer Wollmütze und die grünen Augen hinter einer dick umrandeten Brille versteckt. Schade, irgendwie, die Augen leuchteten ohne Brille nämlich echt faszinierend, so aber fielen sie seinem Modegeschmack zum Opfer – nicht, dass der schlecht gewesen wäre; mir war schon vor ein paar Wochen aufgefallen, dass er seine Outfits immer perfekt aufeinander abstimmte, aber es war trotzdem schade um seine Augen.
„Hm?“, machte ich und griff nach meinem Notizheft, um es auch einzupacken.
„Ich dachte … hättest du Lust, mal mit mir auszugehen?“

Das Heft erst zur Hälfte in der Tasche stoppte ich mitten in der Bewegung und sah ihn überrascht an. Alex wollte mit mir ausgehen? Und noch ein wenig grundlegender: Alex kannte meinen Namen?! Sicher, ich seinen auch, aber es war schwierig, mit Alex in einem Seminar zu sein und am Ende der ersten Stunde nicht zu wissen, wie er hieß; er tendierte dazu, die Diskussionen zu dominieren, und manchmal schien er sogar besser über die Themen informiert zu sein als die Dozenten. Ich dagegen saß lieber still an meinem Platz und schrieb mit. Wenn ich in einem Kurs pro Semester dreimal etwas sagte, ohne dazu aufgefordert zu werden, war es bereits viel. Aber, hey: Jedem das Seine, nicht wahr?
Vielleicht hätte ich langsam antworten sollen, aber dazu hätte ich erst eine Antwort haben müssen. ‚Ähm, keine Ahnung‘ machte sich bekanntlich nicht besonders gut in solchen Situationen.
Wollte ich denn mit ihm ausgehen?
Ich versuchte, in mich hineinzuhören, aber mein Bauchgefühl sagte weder Ja noch Nein. Alex war ganz nett und so, aber … das war auch alles. Und ‚alles‘ bedeutete in diesem Fall: Er war nicht groß gebaut mit warmen haselnussbraunen Augen und einem Grinsen, das meine Knie in Götterspeise verwandelte.
Als ich immer noch nichts sagte, lächelte er verschmitzt und fragte:
„Sorry, bist du etwa hetero?“
Ich schüttelte den Kopf. Nein, noch nie gewesen. Nur etwas baff, unentschieden und von Haus aus kein großer Redner, aber zumindest Letzteres sollte er mitbekommen haben.
„Vergeben?“
„Nicht mehr.“ Na also, da war ja meine Stimme.
Alex nahm das offensichtlich als positives Zeichen, denn sein Lächeln wurde breiter, selbstsicherer. 
„Dann spricht also nichts dagegen, dass du mir eine Chance gibst?“
Außer, dass ich ihn gedanklich mit meinem Mitbewohner verglich und Alex fast schon zwangsläufig den Kürzeren zog, nicht, nein.
Andererseits gab es ja einen Grund, warum ich Mischa aus dem Weg ging. Hatte ich mir nicht selbst gesagt, dass es bei meinem katastrophalen Männergeschmack an der Zeit war, die Kerle nicht mehr mit Herz und Libido, sondern mit dem Verstand auszusuchen? Der nämlich sagte mir, dass Alex super war: gutaussehend, intelligent, witzig und, soweit ich beurteilen konnte, ehrlich. Definitiv eine Chance wert.

***

Später an diesem Tag saß ich in der Küche und aß den letzten Rest meines Abendessens, als Thomas hineinkam.
„Was hältst du von einem WG-Bewohnerabend? Du, Mischa, ich und eine Bar eurer Wahl?“
„Ich kann nicht.“
„Es ist Freitag, Milo. Sogar einsame Wölfe wie du dürfen freitags was mit anderen unternehmen.“ Er zwinkerte mir zu. „Ich habe das aus absolut verlässlicher Quelle.“
„Ich habe …“
„Mischa!“ Thomas hielt Mischa, der hinter ihm hineingekommen war, am Arm fest. „Hilf mir, Milo davon zu überzeugen, dass ein bisschen quality time mit den tollen Mitbewohnern ab und zu unverzichtbar ist.“
„Was genau verstehst du unter ‚quality time‘?“ Mischas Grinsen ging eindeutig ins Dreckige und er wurde dafür von Thomas in die Schulter geboxt. Nein, Kopfkino, aus!
„Ein netter Abend in einer Kneipe mit ein paar Bier.“
Mischa verzog das Gesicht. „Weiß nicht, Kumpel. Ich hätte eher Bock auf einen gemütlichen Zombiefilm. Gerne mit Bier.“ Er machte sich los und ging zum Kühlschrank schräg hinter mir.
„Nicht du auch noch!“ Thomas warf die Hände in die Luft. „Warum will heute keiner aus’m Haus, verdammt noch mal?!“
„Ich habe nicht gesagt, dass ich nicht aus dem Haus will“, erwiderte ich, als Mischa nur die Schultern zuckte, „Ich habe schon etwas vor.“
„Diese Anita? Bring sie doch einfach mit! Wir beißen auch nicht.“
Aber sie vielleicht …
„Nicht mit ihr.“ Ich schob mir die letzte Gabel in den Mund, stand auf und räumte des Geschirr weg. Dabei spürte Mischas Nähe überdeutlich, auch wenn über ein Meter Distanz zwischen uns war. „Ich habe ein Date.“
Thomas Augenbrauen schossen in die Höhe und aus den Augenwinkeln konnte ich sehen, wie auch Mischa überrascht herübersah.
„Das ist ja super“, rief Thomas, „wer ist der Glückliche?“
„Jemand aus der Uni. Wir haben dieses Semester zwei Kurse zusammen …“
„Gut für dich! Ich hätte ja gedacht, dass du länger brauchst, nach dem, was passiert ist.“
Ich zuckte erneut mit den Schultern. Erstens war das fast drei Monate her und Anita fand, dass es besser war, nicht zu lange zu warten und mich nicht so sehr zurückzuziehen, und, wie gesagt …
„Alex ist so ziemlich Michaels Gegenteil. Da erinnert mich nichts an ihn.“
Thomas grinste mich breit an und klopfte mir auf die Schulter. „Ich finde das super, echt!“
Was sollte ich dazu sagen? Danke?
„Ich muss mich langsam umziehen.“
„Aber den Mitbewohnerabend holen wir nach, ja?“
„Klar.“ Etwas mehr Übung im Umgang mit Mischa konnte nicht schaden und wenn Thomas dabei war, fühlte ich mich meist sicherer. Das lag nicht an Mischa – wie gesagt, er hatte keine Anstalten mehr gemacht und mich wahrscheinlich abgehakt – sondern an mir. „Sag mir Bescheid.“
Das Letzte, was ich hörte, bevor ich meine Zimmertür schloss, war Thomas’ Stimme: „Und, was machen wir zwei Hübschen nun heute Abend?“

***

Alex war genau, wie ich erwartet hatte: nett. Der ganze Abend war nett. Und zwar nicht der-kleine–Bruder-von-scheiße, sondern nett-nett. Sein Filmgeschmack war zwar nicht meiner – er schien aus Prinzip alles aus Hollywood für Zeitverschwendung zu halten – aber wir konnten uns schließlich doch auf eine Komödie aus England einigen. Und ich widersprach ihm in seiner Einschätzung von Hollywood ja auch nicht; nur manchmal verschwendete ich gerne ein wenig Zeit. Danach gingen wir in ein orientalisches Restaurant, das zwar nicht teuer, aber sehr lecker war, und unterhielten uns wirklich gut. Wie gesagt, er war witzig und intelligent und ehrlich und … nett.
Und als wir nach dem Essen auf der Suche nach einem Lokal waren, wo wir noch was trinken konnten, und er anhielt und mich zu sich zog und mich küsste, da war das auch nett. Oder es wäre nett gewesen, wenn nicht Mischas Gesicht vor mir gesehen hätte, sein Lächeln und seine Lippen und seine Halsbeuge und – 
Ich versuchte, ihn aus meinen Gedanken zu verdrängen und mich ganz auf den Kuss zu konzentrieren, aber auch als ich die Führung übernahm und den Kuss intensivierte, blieb es nur nett und ich erinnerte mich daran, wie ich mich fühlte, wenn Mischa auch nur im selben Raum war wie ich.
Ach, Scheiße!
Das brachte nichts. Ich löste mich von Alex.
„Tut mir leid.“
„Was tut dir leid?“ Er sah mich erst verständnislos an, doch dann konnte ich sehen, wie es unter seiner Mütze klick machte.
„Habe ich etwas falsch gemacht?“
Ich schüttelte den Kopf. „Du bist super. Aber ich bin noch nicht über meinen Ex hinweg.“ Oder über Typen wie ihn.
Wirklich: So ’ne Scheiße. Jetzt hatte ich mir das Bier, das Thomas mit uns hatte trinken wollen, wirklich verdient. Auch ohne Thomas.

***

Als ich nach Hause kam, konnte ich nicht mehr sagen, wie viele Biere es letzten Endes geworden waren. Ein paar. Mehr als ich vertrug mit Sicherheit, das musste ich spätestens dann zugeben, als der Schlüssel an meinem Schlüsselanhänger und das Schloss in unserer Wohnungstür nicht mehr zusammenpassen wollten. Und noch ein bisschen klarer wurde es, als ich merkte, dass ich meinen Fahrradschlüssel in der Hand hielt.
Im Wohnzimmer flackerte weißliches Fernsehlicht. Ich hatte keine Lust mehr, irgendwen zu sehen, aber leider war unser Wohnzimmer ein großes Durchgangszimmer, das zu Mischas und zu meinem Zimmer führte. Wenn es wenigstens Thomas gewesen wäre, der auf dem Sofa lag und den Kopf hob, als ich hineinkam, aber nein, es musste ja Mischa sein. Mischa, der wie immer verboten anziehend aussah in einem alten Shirt und Jogginghosen, die er seit meiner kleinen Ansprache freundlicherweise immer trug, wenn er sein Zimmer verließ. Und er sah wirklich genau gleich heiß aus wie sonst – ich konnte ihn mir also nicht einmal noch schöner saufen.
„Scheint ja ein erfolgreiches Date gewesen zu sein“, sagte er mit einem Blick auf sein Handy. Und ich, in meinem Zustand, bildete mir ein, eine winzige Spur Eifersucht ausmachen zu können. Vielleicht hatte er mich ja doch noch nicht abgehakt – und sogar wenn, er hatte ja gesagt, er fände mich attraktiv. Sehr. Das hatte sich sicher nicht nur deshalb geändert, weil ich nicht mit ihm flirten wollte, oder?
Vielleicht sollte ich es einfach hinter mich bringen. Ihn jetzt und hier vernaschen, gleich auf dem Sofa.
Warum eigentlich nicht? Ich hatte schon viel zu lange keinen Sex mehr gehabt und danach konnte er mich behandeln, wie Kerle wie er jemanden behandeln, wenn sie bekommen haben, was sie wollten. Michael war ja keine Ausnahme gewesen, der einzige Unterschied zu den anderen war, dass er von mir keinen One-Night-Stand gewollt hatte, sondern jemanden, der ihn anhimmelte und der immer da war und das Bett wärmte, falls er keine Lust auf einen One-Night-Stand mit einem anderen hatte. Darauf würde ich mich garantiert nicht mehr einlassen, aber was war gegen eine Nacht einzuwenden? Ich wusste ja, dass es bei einer bleiben würde und danach konnte ich mir Mischa endlich aus dem Kopf schlagen. Und ich hatte es wirklich nötig, ansonsten wäre mir nicht das Wasser im Mund zusammengelaufen, nur weil er sich aufsetzte und den Kopf leicht schief legte.
„Milo? Alles in Ordnung?“
Ja, alles in Ordnung. Ich überlegte nur gerade, ob ich ihn anspringen und somit alle Versprechen, die ich mir selbst und Anita gegeben hatte, brechen sollte oder nicht – aber ansonsten war alles in Ordnung.
Er stand auf und kam zwei Schritte auf mich zu. „Doch nicht so gut gelaufen?“
Mischa sah mich besorgt an und obwohl er das Licht beim Fernsehen ausgeschaltet gehabt hatte, wusste ich genau, wie sein Blick gerade aussah und dass sich eine kleine Falte neben seiner rechten Augenbraue gebildet hatte, weil die sich immer bildete, wenn er irritiert oder nachdenklich oder besorgt war, und eigentlich sollte ich das gar nicht wissen, denn ich hatte ihn doch gar nicht anschauen wollen – und schon gar nicht so genau, verdammt noch mal!
„Alles deine Schuld!“, brach es aus mir heraus, „Alex ist super und nett und super und er küsst wirklich, wirklich gut, aber du musst ja immer in meinem Kopf rumspuken mit deinem Grinsen und der Stimme und dem scheiß perfekten Körper, darum ist Alex’ Kuss plötzlich nur noch nett – das Nett, das ganz eng mit langweilig verwandt ist und es ist alles deine Schuld!
Sogar in meinem angetrunkenen Zustand konnte ich sehen, dass ich ihn damit ziemlich überfahren hatte. Doch er fing sich schnell wieder, zumindest meiner Zeitrechnung nach.
„Warum küsst du dann nicht einfach mich?“ Seine Stimme war ruhig, aber nicht viel mehr als ein Flüstern und jagte mir einen Schauer nach dem anderen den Rücken hinunter, aber anstatt mich zu beruhigen oder aus dem Konzept zu bringen, regte mich das nur noch mehr auf, denn die Schauer waren auch seine Schuld.
„Weil ich keinen Bock mehr auf den Scheiß habe! Es ist doch immer das Gleiche mit euch! Und sogar wenn es das nicht ist, sagt ihr zu den Spargeltarzanen garantiert nicht Nein.“ Ich ging auf ihn zu und schubste ihn zur Unterstreichung meiner Worte. Ich glaube, er stolperte nur aus Nettigkeit mir gegenüber einen Schritt rückwärts, aber er stolperte und es tat gut, ihn stolpern zu sehen. Auch wenn es bei Michael noch ein ganzes Stück besser getan hätte. „Aber warum auch, wenn sie sich euch auch an den Hals werfen! ‚Das kannst du mir nicht übel nehmen, Babe, der lag sozusagen mit erhobenem Arsch in meinem Bett.‘ So ’ne Bullenkacke – und wie ich das übelnehmen kann! Ihr könnt mich alle mal kreuzweise, ihr selbstverliebten Egomanen!“
Ich holte Luft, stieß sie wütend aus und atmete noch einmal etwas ruhiger durch. Es hatte gut getan, das alles zu sagen, anstatt es immer nur zu denken. Ich sollte meine Frustration öfter herausschreien. Morgen würde ich mich dafür hassen.
 Mischa hatte nicht die Güte, auf meine betrunkene Beleidigung einzugehen. Er erwiderte lediglich:
„Ich stehe nicht auf Spargeltarzane.“
Natürlich nicht, taten sie nie.
„Sag das noch mal, wenn einer mit erhobenem Arsch in deinem Bett liegt.“
Als ich zu ihm hoch schaute, sah er nicht mehr besorgt aus, dafür aber nachdenklich. Als ob nach all dem Proteinfutter viel Hirn zum Nachdenken übrig geblieben wäre …
Das war jetzt unfair, meldete sich mein ebenfalls angetrunkenes schlechtes Gewissen. Mischa hatte sich bisher korrekt verhalten und nicht wie ein gehirnamputierter Anabolikahuldiger, wie Anita sie gern nannte. Immerhin hatte er mich in Ruhe gelassen, nach dem ersten Morgen und meiner Ansprache. Und er schien auch normal zu essen, jedenfalls so weit ich das beurteilen konnte. Es war ja nicht seine Schuld, dass wir etwas anderes in potentiellen Sexpartnern suchten und ich gegen meinen Willen auf ihn stand. Dass ich Alex’ Kuss nicht berauschend gefunden hatte, war aber trotzdem seine Schuld. Da stand die Logik auf meiner Seite.
Er schwieg. Anscheinend sah er ein, dass es nichts brachte, die Neigung zum Spargeltarzan-Vögeln abzustreiten. Sollte mir recht sein, dann konnte ich jetzt ins Bett und das alles am besten in einem riesigen Blackout vergessen. Dennoch blieb ich weiterhin stehen, nur einen Schritt von ihm entfernt.
„Ich bin betrunken“, sagte ich schließlich, als Erklärung und als Entschuldigung für die gemeinen Gedanken vorhin, aber sogar in meinem Zustand hörte ich, dass ich mich eher trotzig anhörte.
„Habe ich mir fast gedacht.“
Er sollte aufhören zu schmunzeln! Ich hatte ihm doch eben gesagt, dass sein Grinsen gefährlich für mich war, konnte er da nicht ein bisschen Rücksicht nehmen, anstatt gleich die nächste Geheimwaffe auszupacken?
Ich ging einen Schritt zurück. „Morgen werde ich mich dafür in Grund und Boden schämen.“ Denn Blackouts kamen bekanntlich nie dann, wenn man sie sich wünscht. Das war Murphys Gesetz, Karma und generelles vom Leben Geficktwerden in einem. Ich wusste das, aber im Moment schämte ich mich dank der Promille noch nicht für mein Verhalten und deshalb war es mir auch ziemlich egal. Ich konnte noch nicht einmal sagen, warum ich den Gedanken überhaupt ausgesprochen hatte.
„Würde es helfen, wenn wir so tun, als wäre es nie passiert?“
„Du hast geschlafen, als ich nach Hause gekommen bin?“
Er lachte. „Tief und fest.“
Was auch immer. Ich brummte und ging an ihm vorbei zu meinem Zimmer.

***

Am nächsten Morgen fühlte ich mich wunderbar mies. Ich schleppte mich ins Bad und unter die Dusche, aber leider half das auch nicht viel, und so sackte ich auf dem Küchenstuhl zusammen, ohne auch nur an Frühstück denken zu können. Die anderen beiden waren herzhaft am Reinhauen.
„Und, wie war’s?“ Thomas schob mir ein Aspirin zu und gab mir gleich darauf noch ein Glas Wasser. Ein prima Kerl, echt.
„Mäßig.“ Das Wasser tat gut und das Aspirin würde bald noch besser tun. „Noch eins.“
„Oh.“ Er tat wie geheißen und reichte mir noch eine Pille. „Aber du warst doch so lange weg? Ich jedenfalls habe schon geschlafen.“
„Das ist auch kein Wunder, du bist um elf in die Heia“, brummte Mischa.
Mischa.
Mischa!
Warum hatte ich ihm das gestern alles an den Kopf werfen müssen? Ich konnte ihm doch nie mehr ins Gesicht schauen, nachdem ich – hatte ich das mit dem gehirnamputierten Anabolikahuldiger eigentlich ausgesprochen? Bitte nicht.
Aber auch wenn nicht, hatte ich mehr als genug gesagt.
„Na und? Es wollte ja keiner mit mir weg, also habe ich mich dir angepasst und einen auf Schnarchnase gemacht.“ Thomas goss sich Kaffee nach und stellte dann die Frage, die mein Herz zum Stillstand brachte. Wie mir das Blut trotzdem ins Gesicht schießen konnte, wusste ich auch nicht.
„Warst du denn noch wach, als er nach Hause gekommen ist?“
Ich konnte ihn unmöglich direkt ansehen, aber ich konnte ebenso unmöglich nicht versuchen, seine Reaktion aus den Augenwinkeln heraus zu beobachten.
Mischa schüttelte den Kopf. „Ich bin vor der Glotze eingeschlafen.“
Nun sah ich doch auf. Er erwiderte meinen Blick und zwinkerte mir zu.
War er denn nicht wütend? Oder hatte ich mich gestern so lächerlich gemacht, dass es egal war, was ich ihm alles an den Kopf geworfen hatte? Aber in seinem Blick sah ich weder das eine noch das andere. Er sah mich einfach nur an, als würden wir ein Geheimnis teilen, was wir ja auch taten, jetzt. Bevor ich es verhindern konnte und trotz der Kopfschmerzen und der Übelkeit, lächelte ich gequält zurück. Mischa war vielleicht doch ganz in Ordnung. So als Kumpel.

***

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