[Sorry für die Verspätung, Heiligabend war unerwartet verplant. Und als ich es heut Nachmittag nur noch mal kurz auf Tippfehler überfliegen wollte, da habe
ich gemerkt, dass die Überarbeitung von letzter Woche weg war. Keine Ahnung wieso, beim Speichern
ist wohl was schief gegangen (OS X ... macht immer wieder Freude). Hab mich ziemlich drüber geärgert, bevor ich mich noch mal drangesetzt hab.
Fast vergessen: Das Kapitel enthält Spoilers für den Film [○REC]. Wer also ungespoilert sehen will, aber in den letzten 5 Jahren keine Zeit hatte, ihn zu gucken, sollte das noch vor dem Lesen des Kapitels tun.]
Zombies, Zombies, Zombies, Zombies, Mischas Lippen.
Scheiß Zombies.
Scheiß Zombies!
Scheiß verdammte
Mist-Zombies!!!
Wer dachte sich so was denn
aus? Und wer sah es sich freiwillig an? Die hatten allesamt eine Schraube nicht
nur locker, sondern bereits verloren! Und die Spanier sowieso, was dachten die
sich eigentlich?! Sie hatten doch schon die Inquisition und Latino-Pop
erfunden, reichte ihnen das denn nicht, um die restlichen Erdenbürger zu quälen?
Hatten sie nicht genug schlechtes Karma gesammelt? Wieso rechte es ihnen
nicht? Die waren doch krank, das ganze Volk hatte einen an der Waffel!
Ich wollte Mischa so gern für
die Filmwahl hassen, aber die hatte ich ja selbst getroffen. Und er hatte mich
sogar noch gewarnt, obwohl der den Streifen nicht kannte und nur gehört hatte,
man solle sich das Original und nicht das amerikanische Remake angucken, denn
das sei mau gewesen. Mau. Auf meine Frage, was das bedeutete, hatte er
geantwortet, dass es wahrscheinlich nicht gruselig war, bis auf ein paar
Überraschungserschrecker. Aber sich erschrecken und sich gruseln seien ja zwei
paar Schuhe. Und ich Trottel hatte ihm das unbedingt glauben wollen, ihm,
seinem Leberfleck und den grünen Sprenkeln in seinen Augen, die voller
Vorfreude gefunkelt hatten.
Nun, eine halbe Stunde in der
Story drin, war eins sicher: Das spanische Original hatte mehr zu bieten als
ein paar ‚Überraschungserschrecker’, denn bisher war es gänzlich ohne die
ausgekommen. Es konnte gruseln, verdammt gut sogar – viel zu
gut für meinen Geschmack. Und es war alles andere als trashig.
Mittlerweile war es mir auch
scheiß egal, ob mich Mischa auslachen würde oder nicht. Ich saß neben ihm auf
dem Sofa – ein ganzes Stück näher als bei Filmstart – die
Knie angezogen und musste mich dennoch davon abhalten, wie ein kleines Kind vor
dem schwarzen Mann zu zittern und dabei Mischas Hand zu zerquetschen. Ich
konnte froh sein, dass Mischas Hände so viel größer und stärker waren als meine
und ich wahrscheinlich gar nicht imstande war, ihm durch bloßen Händedruck
Schmerz zuzufügen.
Zugegeben, es war auch sehr
beruhigend zu wissen, dass ich nicht der Stärkste im Raum war, sollte der
schwarze Mann oder eine Horde Zombies – schlimmstenfalls [○REC]-Zombies, denn die hatten sich innerhalb weniger
Filmminuten zu meiner absolut verhasstesten Zombieunterart
gemausert – heute Abend bei uns anklopfen. Oder einbrechen. Plötzlich
unterm Bett hervorkommen.
Ach. Du. Kacke.
Hatte ich mir das unbedingt
vorstellen müssen? Eins war sicher: Ich würde diese Nacht kein Auge zutun. Und
das Licht nicht ausschalten. Nein, ich würde viel eher in meinem Bett liegen,
alle Lampen um mich herum versammelt, stocksteif und betend, dass es keinen
Stromausfall gab.
Als eine Großaufnahme der
Wunden den Bildschirm ausfüllte, zuckte ich zusammen und wandte schnell mein
Gesicht ab. Das musste ich nicht sehen, denn genau das war mein Problem mit dem
Film: Es sah alles viel zu realistisch aus. Die Zombies waren nicht
verrottet, nur blutverschmiert und eher instinktiv als reflexiv veranlagt. Und
schnell. Die Zombies in alten Filmen, die verrotteten, waren immer ewig langsam
gewesen, aber diese hier waren genau so schnell wie Menschen. Was bedeutete,
dass ich, sollte sich dasselbe in unserem Mietshaus ereignen, eine erschreckend
geringe Chance hatte, vor ihnen davonzulaufen.
Oh. Das hätte ich ebenfalls
nicht denken sollen.
Das einzig, das wirklich einzig
Gute war Mischas Daumen, der beruhigend über meinen Handrücken fuhr. Aber egal,
wie sehr ich mich darauf zu konzentrieren versuchte, ich schaffte es nicht.
Und dann kam das Mädchen.
Mal ehrlich: Kleine Kinder
hatten doch einfach nichts in Horrorfilmen verloren. Die waren so schon
gruselig genug mit ihrer noch nicht voll entwickelten Moral und dem trügerischen
Schein von Zerbrechlichkeit. Soziopathen, allesamt! Wie alt hatte sie gesagt,
dass sie war? Sieben? Na also, minderjährig! Die sollten bloß wegbleiben von
ihr, die konnte noch nicht mal Bruchrechnen! Ach du Scheiße, warum hörten die
denn nicht auf –
Als die Kleine plötzlich in
die Nase ihrer Mutter biss und auf den Kameramann – und damit auf mich – zugestürmt
kam, schrie ich auf absolut unmännlich auf, krallte mich mit der freien Hand in
Mischas Arm, kniff die Augen zu und wünschte mir, man könnte die Ohren auch
zukneifen.
Hätte ich nicht gerade alle
meine letzten grauen Zellen dafür gebraucht, mich von der Nicht-Existenz
gewisser Untoter zu überzeugen, hätte ich mich sicher dafür geohrfeigt, mich so
peinlich zu verhalten. Ich war immerhin erwachsen und das. War. Nur. Ein. Film!
Nach mehreren unauffindbaren
Herzschlägen setzte mein Hirn wieder ein und fing tatsächlich prompt an zu
protestieren, allerdings dauerte es einen Moment, bis der Befehl von meinem
Körper befolgt wurde und ich mich dazu überwinden konnte, meine verkrampften
Finger zu lösen und etwas zurückzurutschen – oder zumindest so zu
tun, denn mich richtig zu entfernen traute ich mich nicht und seinen Arm ganz
loslassen tat ich auch nicht.
„Sorry, ich …“, begann
ich, doch in der nächsten Sekunde war das Mädchen zurück und meine Finger
packten wieder zu.
Mussten diese Idioten ihr
unbedingt nach?! Konnten sie sie nicht einfach verrotten lassen? Es war doch so
was von glasklar, dass sie ein verdammter Zombie war! Normale Menschen mampften
nicht Mamas Nasenspitze, wenn sie Hunger verspürten.
Mischa löste meine Finger von
seinem Arm und ließ meine Hand los. Das erste konnte ich verstehen, denn auch
wenn sich sein harter Bizeps verdammt gut unter meinen Fingern angefühlt hatte,
war mein panischer Griff für ihn sicher nicht so angenehm. Aber dass er die
Hand auch befreite, davon war ich weniger begeistert. Abgesehen davon, dass das
Händchenhalten auf mich beruhigend wirkte, hatte ich auch noch keine Zeit
gehabt, es zu genießen. Und jetzt war die Chance vorbei.
Aber ich konnte ihn ja
verstehen. Immerhin war das zwischen uns, was auch immer es war, suboptimal und
die Freundschaft auf wackeligen Beinen stehend und Händchenhalten dabei
kontraproduktiv.
Und eigentlich wollte ich ja
auch nicht Händchen halten. Also schon, aber eben doch nicht. Vor allem nicht,
wenn Zombies der Grund waren.
Ich sah zu ihm hoch, da ich
wissen wollte, ob er von mir genervt oder Schlimmeres war. Ich hatte nicht vor,
ihn zu bitten, mir seine Hand zurückzugeben, aber genau das hätte ich getan,
wenn meinem Blick nicht sein Lächeln begegnet wäre und er seinen Arm um meine
Schultern gelegt und mich an ihn gezogen hätte. Und dann bekam ich seine andere
Hand zum festhalten.
Okay, das
war … nett. Sehr.
„Tut mir leid, ich wusste
nicht, dass er so schlimm ist.“ Mischas Brustkorb vibrierte mit jedem seiner
Worte und da ich nun an ihn gedrückt wurde, spürte ich es nur allzu genau. Er
drückte auf Pause und seine Hand begann beruhigend über meinen Rücken zu
streichen. „Komm, wir schalten ihn aus.“
„Nein!“ Ich hatte zu
schnell und zu laut geantwortet, das wusste ich, auch ohne in sein überraschtes
Gesicht zu schauen. „Das einzig Gute an Horrorfilmen ist, dass die Monster am
Ende vernichtet werden – ich will sehen, wie sie sterben“, fügte ich
etwas kontrollierter hinzu und verkniff mir ein hasenfüßiges ‚Wenn du den jetzt
ausschaltest, dann sterben die nicht und dann werde ich das ganze
nächste Jahr nicht mehr schlafen können, weil die scheiß verfickten Zombies
noch leben!’
Warum hatte ich nicht auf
einen Actionfilm bestehen können? Oder eine Komödie? Eine Schnulze, von mir
aus?! Ich wusste doch, dass ich Horrorfilme nicht vertrug.
Ich und meine große Klappe.
… die normalerweise gar nicht so groß war. Warum hatte Mischa mich auch so
verletzt ansehen müssen? Da wäre doch sogar eine Statue weich geworden!
Ich seufzte und ließ mich
gegen ihn sinken. Mir war nicht bewusst gewesen, dass ich bis eben bis zum
Äußersten angespannt in seinem Arm gesessen hatte.
Mischa schluckte und räusperte
sich. „Also soll ich … wieder auf Start drücken?“
„Ja.“
Das eingefrorene Bild begann
sich wieder zu bewegen.
Als die alte Frau plötzlich
auf die Kamera zugerannt kam, schreiend und mit kannibalischen Absichten, da
wandte ich mich ab und vergrub mein Gesicht an seiner Brust. Ich schwor mir,
nur noch kurz und in ruhigen Szenen einen Blick auf den Fernseher zu werfen.
Nach einem bewegungslosen Moment drückte Mischa meine Hand und brummte
beruhigend. Ich nahm das als Erlaubnis, so zu bleiben. Und ganz ehrlich: Ich
wäre selten dämlich gewesen, es nicht zu tun. Mischa war warm und roch
kriminell gut und seine Brust unter meinem Kopf fühlte sich noch besser an als
bei der Umarmung letztens. Weg von ihm warteten sowieso nur die Zombies. Mischa
gewann haushoch.
Außerdem, und obwohl ich
wusste, dass es völlig irrational war – denn falls wirklich etwas
passierte, Zombie-bedingt oder nicht, müsste er mich loslassen, um sich wehren
zu können – war ich davon überzeugt, dass ich vollkommen sicher war,
solange er mich hielt.
Und es tat gut, zu spüren,
dass er, obwohl er nach Außen hin ruhig blieb, ebenfalls Herzrasen hatte.
***
Ich wusste, dass der Film
bald zu Ende sein würde, aber das tröstete mich gerade gar nicht, denn die
lange letzte Szene war mit am Schlimmsten. Nicht nur, dass da dieses Ding gegen
die Kamera –
Oh. Mein. Gott! Da war etwas,
im Dunkeln, da war –
Meine Finger krallten sich in
Mischas Shirt, meine Augen waren zusammengekniffen und das einzige, worauf ich
halbwegs stolz sein konnte, war, dass ich das jämmerliche Wimmern, das meine
Kehle hinaufschleichen wollte, unterdrückt hatte, bevor es hörbar wurde.
Mischas Hand war irgendwann
von meinem Rücken zu meiner Hüfte gewandert und hatte sich, sicher völlig
unabsichtlich und zufällig, plötzlich unter meinem Shirt
befunden – und weil es völlig unabsichtlich geschehen war, hatte ich
auch nichts dagegen unternommen. Von da aus schob sie sich nun auf meinen
Bauch.
„Ist nur ein Film, ist nicht
echt“, murmelte er vor sich hin und ließ seine Hand langsam über meinen Bauch
kreisen, „Ist gleich vorbei, nur noch ein paar Minuten.“
Ich gab einen unglücklichen
Laut von mir. Ein paar Minuten waren ein paar Minuten hoch zwei zu viel.
„Dir passiert nichts.“
Leichter Druck auf meinen Haaren, nur wenige Sekunden lang. „Die müssten erst
an mir vorbei.“
Hatte –war
das – hatte er mich eben gek…?
Die Protagonistin kreischte
besonders laut, es schepperte und krachte und meine Gedanken wurden
unterbrochen. Oder eher abgeschlachtet.
Nur noch ein paar Minuten,
hatte er gesagt; aber es wurde einfach nicht besser. Ich wusste nicht mehr, wie
ich mich fühlen sollte. Verängstigt wegen den fiktiven Zombies oder verunsichert
wegen dem sehr realen Mischa, der trotz Zombies allerlei Dinge mit mir
anstellte, ohne groß etwas zu machen?
Nur noch ein paar Minuten.
Und was, wenn ich mehr wollte?
***
Spanische Rockmusik ertönte
und schien sich über meine Angst lustig zu machen, aber ich starrte nur
ungläubig auf den Fernseher, unfähig, mich zu bewegen. Das war nicht deren
Ernst. Das konnte nicht deren Ernst sein.
Ich griff nach der
Fernbedienung und spulte vor, aber nach dem Abspann kam nichts mehr.
Es war ihr Ernst. Ich
hatte es doch gewusst: Spanier waren kranke, sadistische Psychopathen.
Allesamt. Verdammtes Drecksvolk!
„Sie sind nicht vernichtet
worden.“ Meine Stimme klang flach und genauso ungläubig, wie ich mich fühlte.
„Alle tot. Außer den Zombies.“
Ich hatte mich gezwungen, die
letzten zwei Minuten des Filmes zu schauen, damit ich mich davon überzeugen
konnte, dass die scheiß Zombies das Zeitliche segneten, aber die Regisseure
hatten mir den Gefallen nicht getan; stattdessen war die Protagonistin …
Das konnte einfach nicht wahr
sein. Ich sah vom Bildschirm zu Mischa.
„Aber der Film ist vorbei,
das ist doch wenigstens etwas, oder?“
Ich antwortete nicht. Am
liebsten hätte ich meinen Kopf wieder auf seine Schulter gelegt und mich vor
der bösen, zombieverseuchten Welt versteckt, aber jetzt, wo niemand mehr schrie
und kreischte und mich willentlich erschreckte, hatte ich keine gute Ausrede
mehr. Ein kleiner Teil von mir war sowieso der Meinung, dass ich mich endlich
wieder zusammenreißen musste. Das hätte ich auch getan, wenn der Rest nicht vor
Angst bibbernd in der Ecke gesessen hätte. Eins war klar: Solange er seinen Arm
nicht wegnahm, blieb ich ganz genau da, wo ich war!
Die Stille war unheimlich.
Während des Filmes hatte ich sie mir herbeigewünscht, aber
jetzt – knarrte da etwas?
Blödsinn, natürlich nicht.
Und wenn, dann war das normal, Häuser knarrten nun mal ab und zu. Das Licht im
Flur hätten wir aber trotzdem anlassen können.
„Was soll denn der Mist?“ Ich
hatte eigentlich nichts sagen wollen, aber nachdem sie fünfzig Runden in meinem
Kopf gedreht hatte, war es der Frage da drinnen wahrscheinlich zu langweilig
geworden. „Wieso schreibt jemand einen Film, in dem die Zombies siegen?“
Mischa erwiderte meinen
Blick, zuckte aber nur mit den Schultern.
Ich schnaubte. „Dir hat es
wahrscheinlich sogar noch gefallen.“
Sein peinlich berührter Blick
sagte alles.
„Nicht wirklich, oder? Du
findest den Film gut?“ Verräter! Dieser miese, kleine Verräter!
… Den ich natürlich trotzdem nicht loslassen würde.
„Na ja“, fing er an und
schien jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, „ich müsste ihn noch einmal
sehen, um es genau sagen zu können …“
„Freiwillig? Du hast doch
nicht alle Tassen in der Werkzeugkiste!“
Mischa begann zu grinsen. „Tassen
in der Werkzeugkiste?“
Fantastisch, ich beleidigte
ihn und er amüsierte sich. Ich sah wahrscheinlich nicht sehr bedrohlich aus,
wenn ich mich so an ihn kuschelte. Drauf geschissen. Stolz war etwas, von dem
mein Überlebensinstinkt fand, dass wir es momentan nicht brauchen konnten.
„Halt die Klappe“, knurrte
ich deswegen nur. Als die Stille wieder einsetzte und genauso gruselig war wie
eben noch, seufzte ich. „Die Zombies leben noch; was mache ich denn jetzt?“
„Es gibt eine
Fortsetzung – oder sind es bereits zwei?“ Er überlegte kurz, dann
schüttelte er den Kopf. „Egal. Ich könnte sie ausleihen gehen; vielleicht
werden sie ja da vernichtet?“
Ich verzog das Gesicht. „Wenn
es zwei gibt, dann ja anscheinend nicht. Außerdem werde ich dich umbringen,
wenn du mich hier alleine lässt.“
„Wir könnten zusammen …“
„Ich geh jetzt garantiert
nicht nach draußen.“
Mischa nickte. „Okay.
Natürlich nicht, ist auch schon spät.“ Seine Linke fuhr immer noch über meinen
Bauch, seine Rechte hielt meine.
„Ruhig schlafen geht wohl
auch nicht, oder?“
„Willst du mich verarschen?“
„Natürlich nicht“,
wiederholte er und schüttelte den Kopf, „Wie wär’s dann mit einem zweiten Film,
einer Komödie oder so? Vielleicht bringt dich das auf andere Gedanken.“
Ich überlegte nur kurz, bevor
ich nickte.
Mischa wartete einen Moment,
dann sah er mich auffordernd an. „Ich müsste aufstehen, um den einzulegen.“
Klar musste er das. Und natürlich
schaffte ich es schließlich, seine Hand loszulassen. Daran, wie lange ich dazu
brauchte, will ich gar nicht denken, ebenso wenig wie daran, dass es im
Wohnzimmer gleich kälter und unheimlicher wurde.
„Kannst du das Licht im Flur
anmachen?“
Ja, es war peinlich. Ich
führte mich auf wie ein Kleinkind, das ohne Nachtlicht nicht schlafen konnte.
Aber es gab einen Grund, warum ich seit ich denken konnte Horrorfilmen aus dem
Weg ging. Damit sollte ich schleunigst wieder anfangen, Leberflecke und
traurige Blicke hin oder her.
Rückblickend wäre es am
besten gewesen, ich hätte den traurigen Blick gar nicht erst verursacht. In
Zukunft musste ich mir da mehr Mühe geben, damit sich der Abend nicht
wiederholte. Deshalb und … weil Mischa lächelnd einfach besser
aussah.
Mischa nickte und tat wie
geheißen.
„Was willst du sehen?“
Ich zuckte mit den Schultern.
„Wie wär’s mit Princess
Bride oder zu Deutsch: Die Braut des Prinzen? Kennst du den?“
Nein, aber wenn es um
Prinzessinnen und Hochzeiten ging, konnte es ja nicht so schlimm sein.
„Der ist echt gut. Und
witzig. Wenn dich der nicht von den Zombies ablenkt, dann hilft wohl nur noch
eine Gehirntransplantation – wobei dir die Zombies sicher gerne
behilflich wären.“ Er zwinkerte mir zu und legte den Film ein.
Er mich auch.
Dennoch war ich froh, als er
wieder auf dem Sofa saß. Und noch ein wenig froher war ich darüber, dass er
sich nicht nur an die gleiche Stelle wie vorhin setzte, sondern mich auch
wieder zu sich zog. Ich wusste nicht, ob ich mich das noch mal getraut hätte,
aber es tat gut.
Und dass er mir, als er den
Arm wieder um mich und die Hand zurück unter mein Shirt auf meinen Bauch legte,
diesmal definitiv einen Kuss auf den Scheitel drückte, ignorierten wir beide
gekonnt.
***
Mischa hatte Recht gehabt: Die
Braut des Prinzen war gut und brachte mich auf andere Gedanken. Die ersten
Szenen waren mir zwar etwas unangenehm gewesen – das perfekte kleine
Liebesmärchen zu gucken, während ich mich an Mischa kuschelte,
war … nun ja, unpassend. Aber als dann der komödiantische
Mantel-und-Degen-Teil anfing, vergaß ich das schnell wieder.
Wir hatten den Film in der
Mitte sogar kurz gestoppt, um aufs Klo zu gehen und neue Getränke zu holen.
Dass ich alleine im gut beleuchteten Bad plötzlich Visionen vom Zombie hinter
dem Duschvorhang hatte, behielt ich für mich. In den Spiegel schaute ich auch
nicht, aber das war eh überbewertet. Es kam schließlich auf die Inneren Werte
an.
Jetzt war der Film zu Ende
und Mischa stand auf und streckte sich.
„Na, zuviel versprochen?“
Ich schüttelte den Kopf.
„Ausnahmsweise nicht.“
„Was heißt hier
‚ausnahmsweise‘?“ Er grinste. „Nicht frech werden, Bürschchen. Ich kenne deinen
Schwachpunkt.“
Davon gab’s mehrere und wenn
ich ehrlich war und die Sonne hoch am Himmel stand, dann waren Zombies nicht
einmal der Schlimmste.
Mischa schaltete den
Fernseher aus, während ich die Gläser und Pappschachteln vom Chinesen in die
Küche brachte. Ich überlebte einen weiteren Badbesuch und stand dann etwas
unschlüssig im Wohnzimmer, während Mischa seinerseits im Bad verschwand. Es war
Zeit, ins Bett zu gehen.
Ja.
Kein Problem.
Warum auch? War ja nicht so,
als ob sich ein Zombie in meinem Zimmer versteckt hatte, genau so, wie er sich
im Film auf dem –
Nein. Meine Welt war schön
und gut und zombiefrei.
Da war auch kein Zombie unter
meinem Bett oder in meinem Schrank. Garantiert nicht. Ich würde zwar auch nicht
nachschauen, weil das die Wahrscheinlichkeit, dass da doch etwas war,
potentiell erhöhte, aber ich – ich wusste, dass da nichts war.
Ich war schließlich ein Vernunftmensch.
Mischa kam aus dem Bad und
lächelte mich an. „Alles okay?“
Ich nickte. Das Lächeln wurde
breiter.
„Na dann, schlaf gut.“
Mein „Du auch“ war nicht viel
mehr als ein Murmeln, aber das war schon eine Leistung angesichts des mulmigen
Gefühls in meinem Magen.
Mischa ging zu seinem Zimmer
und ich wandte mich meiner leicht geöffneten Tür zu. Nein, die Schwärze
dahinter war nicht dunkler als sonst.
…
Also wirklich, ich benahm
mich kindisch. Mit steifen Schritten ging hin und hielt vor dem Türrahmen an,
nur kurz, ich wollte nur noch einmal … mich geistig darauf
einstellen, dass ich gleich wie ein Stein schlafen würde.
Gerade, als ich die Tür
aufdrücken wollte, bemerkte ich, dass jemand neben mir stand. Meinen fehlenden
Herzinfarkt konnte ich mir nur dadurch erklären, dass ich unbewusst bereits
seinen Geruch wahrgenommen hatte.
„Sorry, ich glaube, ich habe
etwas in deinem Zimmer vergessen. Darf ich?“
Ich nickte und sah zu, wie er
hineinging und das Licht anmachte. Etwas vergessen, sicher. Er war zwar seit
Ewigkeiten nicht mehr in meinem Zimmer gewesen, aber er hatte etwas darin
vergessen, dass er jetzt dringend brauchte.
Mir war bewusst, dass ich
nicht wegen der Geste genervt war, sondern deswegen, dass er mir
meine…n Respekt vor dem dunklen Zimmer angesehen hatte. Immerhin konnte
ich mir jetzt sicher sein, dass Mischa mich im Leben nicht mehr für voll nehmen
würde. Genauso wenig wie ich selbst.
Und jetzt, wenn er in der
Mitte stand und so tat, als würde er den Schreibtisch mit dem Blick nach diesem
Etwas absuchen, sah ich, dass mein Zimmer immer noch mein Zimmer war. Völlig
ungefährlich. Was hatte ich denn erwartet?
Ich ging zu ihm und er sah
mich mit einem schiefen Lächeln an.
„Muss mich wohl getäuscht
haben, ich seh’s nicht.“ Er musterte mich kurz, dann sagte er: „Gute Nacht.“
Ich nickte und Mischa drehte
sich um, um an mir vorbeizugehen. Ohne nachzudenken legte ich eine Hand auf
seinen Arm. Er hielt inne, sah mich an.
„Danke.“ Dafür, dass er mich
nicht ausgelacht hatte, dafür, dass er wenigstens so getan hatte, als ob er
etwas suchen würde. Dafür, dass …
Seine Hand auf meinem Bauch
hatte sich wirklich, wirklich gut angefühlt. Ich verstand nicht ganz,
warum ich ausgerechnet jetzt daran denken musste, aber mein Bauch begann mit
der Erinnerung zu kribbeln. Und das Kribbeln zog von da aus gen Süden.
Ich stellte mich auf die
Zehenspitzen und reckte mich, um ihm einen Kuss auf die Wange zu geben. Der gehörte
zum Danke dazu.
Mischa hielt still und sein
Blick begegnete meinem, als ich wieder sicher vor ihm stand.
„Kein Ding.“
Ich erwartete, dass er sich
nun umdrehen und schlafen gehen würde, aber er blieb stehen. Und die Atmosphäre
wurde gespannter. Nicht negativ, zumindest nicht zwangsweise.
„Ich sollte …“
Ich nickte, ohne seine Worte
gehört oder bemerkt zu haben, dass er den Satz nicht beendet hatte. Seine
Stimme war dunkler als sonst, rauer.
Er sollte, ja. Aber er tat es
nicht.
Ich sah wieder zu ihm hoch
und bekam gerade noch mit, wie er mit der die Lippen benetzte. Musste er meine
Aufmerksamkeit darauf lenken?
Es war spät. Wir waren beide
müde und zumindest ich durcheinander, wegen Zombies und Händen auf meinem Bauch
und Mischa in meinem Zimmer. Und, weil mein Körper mir zuflüsterte, dass er
eigentlich gar nicht müde war und Mischa auch nicht so aussah, als würde er
gleich im Stehen einschlafen.
Was tat ich hier eigentlich?
Ich hatte mich doch gegen ihn entschieden! Dann sollte ich auch nicht nachts
mit ihm alleine in meinem Zimmer sein.
Mischa legte die freie Hand
auf meine Hüfte. Vorsichtig zwar, aber dann spürte ich seinen Daumen wieder
unter meinem Shirt; er begann, genauso beruhigend über meine Seite zu
streichen, wie er es vorhin bei meinem Handrücken getan hatte.
Ich sollte ihn auffordern zu
gehen. Mich zumindest von ihm lösen, denn wenn ich das nicht tat, wurde mir nun
klar, würde er auch nicht gehen. Ich sollte, aber ich tat es ebenfalls nicht.
Der Zombie-verängstigte wie der Zombie-unabhängige Teil von mir wollten nicht,
dass er ging, wenn auch aus ganz unterschiedlichen Gründen.
Ich suchte in seinen
haselnussfarbenen Augen nach einem Hinweis auf die Gedanken, die ihm gerade
durch den Kopf gingen, aber alles, was ich erkannte, waren verschiedene
Ausprägungen von Unsicherheit.
Ich bemerkte, dass die Hand,
die ich auf seinen Arm gelegt hatte, sich nun an ihm festhielt. Irgendetwas
sagte mir, dass ich wirklich gut über meine nächste Handlung nachdenken musste,
dass das wichtig war, dass ich sonst etwas kaputt machen könnte, aber ich
konnte meine Gedanken nicht in die richtige Reihenfolge bringen und so schob
ich sie schließlich beiseite.
Die Haut um Mischas
Leberfleck war in ständiger Bewegung. Das war sie heute Nachmittag noch nicht
gewesen. Jetzt vibrierte sie, wenn er sich über die Lippen leckte oder trocken
schluckte und bewegte sich, wenn der die Hand, deren Arm ich hielt, zur Faust
ballte und wieder entspannte, und, vor allem pochte sie mit jedem seiner
raschen Atemzüge.
Ich sah wieder nach oben.
Sein Blick suchte mein Gesicht ab, fand aber anscheinend keine Antwort auf die
stumme Frage. Ich trat noch einen kleinen Schritt näher, so dass sich unsere
Körper fast berührten. Wie hatte ich den halben Abend lang die Nase so nah an
seiner Haut haben können ohne dass mir von seinem Geruch schwindlig geworden
wäre? Blasphemie. Dabei konnte ich seinen Geruch noch nicht einmal einordnen;
er roch herb, sauber und warm, auch wenn mir bewusst war, dass das nicht
möglich war. Jemand war warm, er roch nicht danach; und dennoch tat
Mischa genau das.
Sein
Leberfleck – und seine Brust, aber ich hatte meinen Blick wieder auf
den Leberfleck gerichtet – bewegte sich noch heftiger als eben noch.
Wurde richtig durchgeschüttelt, der Arme. Und dabei sehnte er sich doch nur
nach etwas Aufmerksamkeit. Er schrie geradezu danach – und ich konnte
ihn einfach nicht länger leiden lassen.
Meine Ausreden waren auch
schon besser gewesen.
Ich musste mich nur ein wenig
auf die Zehen stellen, dann fanden meine Lippen ihr Ziel. Vorsichtig, um den
kleinen einsamen Fleck nicht gleich zu überfordern, ließ ich erst nur meine
Haut gegen seine streifen. Mischa versteifte sich augenblicklich und seine
Brust stand still. Mir wurde leicht schwindlig, so dass ich meine freie Hand
auf seine Schulter legen musste; als ich meine Lippen diesmal fester gegen
seinen Hals drückte, verkrallten sich meine Finger in seinem Hemd, wie sie es
schon vor einigen Stunden bei [○REC] getan hatten. Nur ganz
anders. Mischa schmeckte wie tausend kleine Tode.
„Du …“ Er brach ab, als
ich meine Lippen bewegte.
Mein Schwindel wurde
schlimmer, aber es fühlte sich fantastisch an.
„… wolltest doch
nicht …“, fuhr er dann doch fort, legte aber gleichzeitig den Arm um mich.
„Ich wollte“, antwortete ich
und unterdrückte den Drang, mich zu räuspern, „aber ich hatte Angst.“
Die Hand auf meinem Rücken
war nun ebenfalls auf dem Weg unter mein Shirt. Kleine Blitze fuhren durch
meinen Körper. Mehr davon!
„Jetzt hast du keine mehr?“
Ich wollte nicht antworten
und ich wollte nicht reden. Vorsichtig biss ich in Mischas Hals und er zog mich
augenblicklich an sich, so dass meine Brust gegen seine gepresst wurde. Doch
dann drückte er mein Gesicht sanft aber bestimmt nach oben.
Die grünen Sprenkel standen
in Flammen, brannten sich in meinen Kopf und ließen jede meiner Zellen Feuer
fangen.
„Die Zombies sind
furchteinflößender als du“, erwiderte ich ohne zu wissen, was oder wie ich es
sagte. Mischa wollte eine Antwort und ich konnte ihm den Wunsch ebenso wenig
verwehren wie ich dem Leberfleck eben hatte widerstehen können, auch wenn ich
eigentlich keine Antwort hatte. Alle Gründe gegen Mischa schienen aus meinem
Universum verschwunden zu sein, verpufft zu einem Stückchen negativer Materie.
Und mit ihnen waren meine Argumente und Gegenargumente gegangen.
„Wenigstens die Zombies also,
wie beruhigend.“ Konnten Worte sarkastisch sein, wenn der Ton sanft war? Heute
schien vieles Unmögliche möglich.
Seine Hand war vollständig
unter meinem Shirt verschwunden und machte das Denken so viel komplizierter.
Warum bestand er auch auf reden?
„Zombies sind um einiges
schlimmer als du …“, begann ich und drückte mich fester an ihn. Verstand
er denn nicht, dass ich nicht mehr reden wollte? Nicht mehr reden konnte,
geschweige denn denken? „… Und ich habe mich bei dir sogar vor den Zombies
sicher gefühlt.“
Er hob die Augenbrauen.
„Ach?“
Ich nickte, legte die Hand in
seinen Nacken und zog ihn zu mir runter. „Aber nur, wenn ich ganz nah bei dir
war.“
Mischa lächelte plötzlich und
irgendwas in mir ging kaputt, denn ich fühlte mich, als ob ich bei vollem
Bewusstsein in Ohnmacht fiel.
Seine Hand fuhr meinen Rücken
hinunter zu meinem Hintern und zog mich so nah, dass ich mich wirklich an ihm
festhalten musste, um nicht umzufallen. Die harten Muskeln unter dem Stoff
fühlten sich unglaublich an. Genauso wie eine andere, sich erhärtende Stelle an
seinem Körper.
„So nah etwa?“ Die Worte
geisterten als heißer Atem über meine Haut; seine Stimmte verriet, dass er
gerade an die Grenze seiner Beherrschung stieß.
„Noch näher“, erwiderte ich
und legte meine Lippen auf seine.
Für einen Moment stand die
Zeit still, dann ging ein Ruck durch Mischa.
Die Zombies waren vergessen.
***
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