Blaue Augen, lange Wimpern, verschwitzte Locken. Sonnengeküsste Haut und
kräftige Hände, die auf meinem Hintern lagen, über mein Kreuz fuhren, hoch zu
den Schultern, und sich dann schließlich in meinen Haaren verkrallten. Mich
hinunter zogen, zu ihm. Als sich unsere Lippen berührten, explodierte etwas in
meinem Kopf …
Ich ließ mich neben Lukas fallen, keuchend, befriedigt, ausgelaugt.
„Wow. Das war … wow!“ Er drehte sich zu mir und grinste schelmisch. “Ich
kann nicht glauben, dass es jedes Mal noch besser wird! Wie machst du das?”
„Es braucht zwei dazu, vergiss das nicht“, antwortete ich ohne das
zufriedene Grinsen zu verstecken. Dass er Recht hatte und dass er seinen Teil
dazu beitrug bedeutete nicht, dass mir sein Lob nicht gefiel. Oder unsere
Treffen.
“Wir müssen damit aufhören”, sagte ich dennoch klar und deutlich und mit
nicht wenig Bedauern in meiner Stimme.
Lukas sah mich nur fragend an.
“Ich habe an jemand anderen gedacht, eben.”
“An wen?”
“Meinen verdammten
Mitschüler.”
*********
Ich kann ihn nicht ausstehen.
Das, liebe Damen und Herren, war mein erster Gedanke als ich ihn traf, an
meinem ersten Schultag: Ich kann ihn nicht ausstehen. Ich kam gerade vom
Sekretariat, wo mir eine Zicke von Sekretärin mit zu viel Lippenstift und
Männerparfüm einen Zettel in die Hand gedrückt und mich mit den Worten “Der
Klassenlehrer ist heute krank, frag den, wenn irgendwas ist” weggescheucht
hatte. Auf dem Zettel standen drei hingekritzelte Dinge:
2OG
N213
Rubin Alexander
Etwas verloren hatte ich vor der verschlossenen Tür gestanden und auf das
Papier gestarrt, bevor ich die Schultern gezuckt, mein bestes Lächeln
aufgesetzt und ein Mädchen, das gerade den Flur hinunterlief, gefragt hatte, wo
sich das Zimmer N213 befand. Natürlich hatte sie mir gerne Auskunft gegeben und
mich sogar hingebracht; etwas anderes hatte ich gar nicht erwartet, denn wer
würde mir schon nicht gerne Auskunft geben? Ich war nun mal ein sympathischer
Junge – zumindest machte ich den Eindruck, was ich zu einem nicht
unwesentlichen Anteil meinem Lächeln zuschrieb – zusammen mit der
Tatsache, dass ich gelernt hatte, mich so zu verhalten, dass die anderen
dachten, ich würde sie mögen, und das war ein wesentlicher Faktor
dafür, dass sie mich mochten. Ganz nach dem Motto:
Es ist einfacher zu lieben, wenn man weiß, dass man zurückgeliebt wird.
Und wenn wir ehrlich sind, dann wissen wir alle, dass das Leben um vieles
einfacher ist, wenn man, wenn schon nicht geliebt, dann mindestens gemocht
wird. Ich war noch nie jemand, der sich die Dinge unnötig kompliziert macht.
Nun stand ich also erneut vor einer Tür, diesmal einer offenen, und
überlegte gerade, welcher Teil von Rubin Alexander der Vorname
war – ich hoffte für den Kerl auf Alexander, aber da kein Komma
dazwischenstand zweifelte ich daran – als ein Junge in mein Blickfeld
trat.
„Hi“, sagte er ganz originell und musterte mich kurz, „suchst du wen?“
Ich nickte, warf noch einen Blick auf den Zettel und antwortete mit einem
schiefen Grinsen: „Ja, ich suche einen … Rubin? Ich bin neu hier und die
Sekretärin hat mir gesagt, ich soll mich an ihn halten.“
„Edelsteine wirst du hier keine finden.“
Junge Nummer eins und ich drehten uns um und ich sah mich einem weiteren
Jungen gegenüber, dessen desinteressierter Ausdruck und die angehobene
Augenbraue die Arroganz der Stimme perfekt widerspiegelten.
„Falls du nach mir suchst, dann lerne erst einmal, meinen Namen richtig
auszusprechen. Die Betonung liegt auf der ersten Silbe. Rubin, nicht Rubihn.
Und als wären die Worte alleine nicht genug, sprach er seinen Namen in
wundervoll grässlichem Amerikanisch aus – zumindest war ich mir fast
sicher, dass es Amerikanisch gewesen war. Es musste Amerikanisch sein, denn es
war die einzige Sprache, die ich so wenig leiden konnte, wie mir sein erster
Eindruck sympathisch war. Und nein, Amerikanisch war für mich kein Englisch.
Engländer sprachen Englisch, Iren und Schotten mitunter auch, wenn auch mit
Akzent, und von mir aus auch Australier – verdammt, sogar Inder
sprachen Englisch, aber das, was Amis von sich gaben, hatte kein Recht, sich
Englisch zu schimpfen.